Gerhart Schinze : Die praktische Wetteranalyse.
Die praktische Wetteranalyse.
Die Grundlage der Analyse von Wetterkarten im Sinne der Bergener Schule bildet die Unterscheidung
verschiedener Luftmassen (M) sowie die Bestimmung ihrer Ortsverlagerung und ihres zukünftigen Zu
standes. Vom alleinigen Studium des Isobarenfeldes muß die Untersuchung zur Luftmasse (Luftkörper)
übergehen, deren wesentlichste Eigenschaften schon durch das Ursprungsgebiet bestimmt sind. Die Spezial
erfahrungen und die Nomenklatur der analytischen Synoptik sind im Laufe der verflossenen Jahre so an
gewachsen, daß eine kurz zusammenfassende Darstellung der Arbeitsmethoden der M- und F- (Fronten)
Analyse für den praktischen Wetterdienst nicht unerwünscht erscheint. Die wichtigsten Arbeiten zur
Luftmasscn-Analyse sind aus dem beigegebenen Literaturverzeichnis ersichtlich (S. 69 bis 71).
I. Luftmassen und Fronten.
Als erstes Einteilungsprinzip der troposphärischen Hauptluftmassen (M) ist das absolute, geographische
System gewählt (Bergeron 5, Moese und Schinze 33 u. 53). Danach unterscheiden wir vier Hauptluftmassen:
arktische Luft = (A L) (früher oft auch als frische bzw. echte Polarluft bezeichnet), ferner subpolare Luft
massen = (P L) Entstehungsgebiet etwa zwischen 45° und 65°, subtropische Luftmassen = (T L) und
äquatoriale Luftmassen = (EL) (vgl. Tabelle 1 und Fußnote*). Für die Diagnose ist es fernerhin er
forderlich, neben dem absoluten, geographischen auch ein relatives, thermodynamisches Einteilungssystem
nach Kaltmasse (KM) und Warmmasse (WM) zu verwenden. Für mitteleuropäisdie Verhältnisse werden
dabei die A L fast ausschließlidi als Kaltmasse und die T L als Warmmasse auftreten. Die subpolaren Luft
massen dagegen werden je nach Jahreszeit und ihrer Beteiligung an den beiden Hauptfrontalzonen —• der
arktischen (A F) und temperierten (P F) (Moese und Schinze 35) — die Rolle einer K M bzw. W M über
nehmen können. Außerdem sind Fälle möglich, wo subpolare M verschiedener Lebensgeschichte und ver
schiedenen Alters an der Bildung dynamisch weniger wichtiger Störungen beteiligt sind, wo also subpolare
W M gegen subpolare K M bzw. umgekehrt geführt wird. Äquatorile Massen (E L) können nach den bis
herigen Untersuchungen in Mitteleuropa offenbar jedoch nur in der Höhe im Hochsommer in dynamisch
bedingten Antizyklonen bei Verschiebung des Roßbreiten-Hochdruckgürtels bis in unsere Breiten auf
treten (Schinze 50). Zur Kennzeichnung der großzügigen Beeinflussung, die diese Massen bei ihrer
Wanderung von der Quelle aus durdi die jeweilige Unterlage erleiden, ist die bereits aus der Tabelle 1
ersichtliche Bezeichnungsweise m = maritim und c = kontinental gewählt worden. Sofern es erforder
lich ist, weitere Einflußbezeichnungen weniger großzügiger Natur (also speziell die untersten Schichten
angehende Strahlungseinflüsse) zu geben, dürfte es sich empfehlen, die Zeichen (Abkürzungen) f = Föhn,
Absinken (freier und orographisch erzwungener), r = Stau, i = Einstrahlung (Bodenüberhitjungsschicht)
und e = Ausstrahlung (Bodeninversionsschicht) zu verwenden. Ferner ist bei der M-Analyse auch die
Angabe der zeitlichen Entfernung der LM von ihrem Ursprungsgebiete von großer Wichtigkeit, da ja alle
anfänglichen Hauptmerkmale der Luftmassen in den Einzelelementen durch Alterung mehr oder minder
stark abgeschwächt bzw. verwischt werden. Es wird daher als Index für frische, gerade dem Ursprungs
gebiete (Entstehungsgebiete) entstammende Luftmasse Null (0 bis 2 Tage), für ältere 1 (3 bis 7 Tage) und
für eine alte Luftmasse 2 (länger als eine Woche vom Ursprungsgebiet bereits entfernt) verwendet werden.
Es ist hierbei selbstverständlich, daß derartige Feststellungen im täglichen Dienste nur bei dauernder
Überwachung durch Zeichnen von mindestens 3 Hauptkarten (08, 14 und 19 Uhr) und einer Zirkumpolar-
Karte möglich ist (vgl. hierzu Kap. VI „Das Material“).