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Ger hart Schinze: Die praktische Wetteranalyse.
Antizyklone (nordöstlich verlagertes Azorenmaximum) handelt, so kann diese Lage oft sehr lange unver
ändert fortbestehen. Dauernd tritt dabei im Gebiete von Island zwischen einer thermisch bedingten Anti
zyklone über Grönland (kalte Antizyklone) und der dynamisch bedingten Antizyklone südwestlich von
Irland (warme Antizyklone) Zyklogenese ein. Durch das auf engem Raume stattfindende Zusammentreffen
von mTW und mAK weisen die entstehenden Zyklonen häufig sehr rasche Vertiefung ihrer Druckzentren auf
(vgl. a. Moese und Schinze 35). Diese Störungen werden dabei, durch das Direktionszentrum dirigiert,
ziemlich rasch von Island südostwärts etwa analog der van Bebber’schen Zugstraße lila wandern. Dabei
okkludiert ihr Warmsektor am Boden sehr schnell, so daß südlich einer Linie Nordsee — Ostsee nur noch
sehr schmale oder in der Mehrzahl der Fälle bereits abgehobene Warmsektoren vorhanden sind. Bei diesem
Wettertyp verbleibt Westeuropa, meist auch das westliche Deutschland bis zur Elbe, fast dauernd im Bereiche
der mTW und ziemlich beständiges, wenn auch stärker bewölktes und windiges, wärmeres Wetter herrscht vor.
Nur in der kältesten Jahreszeit kommt es durch die Eigenkaltluftproduktion der westeuropäischen Gebirge
auch in der mTW zur Ausbildung seichter Bodenkaltluftschichten. Ganz anders ist die Witterung im östlichen
Mitteleuropa, das bald in der Kaltluft, bald — teilweise nur für Stunden —- in den Bereich der Warm
luft zu liegen kommt. Außergewöhnlich unruhige, unbeständige und vielfach stürmische Witterung ist
die Folge. Besonders ergiebige Niederschläge treten östlich der Elbe in der Mehrzahl der Fälle ein, und
in der kältesten Jahreszeit sind häufig schwere Schneestürme zu verzeichnen. Da die Störungsfronten
beim NW- bis N-Typus im östlichen Europa den Gebirgsketten parallel Vordringen, so tritt keine Föhn
auflösung der präfrontalen Niederschlagsgebiete ein, und es ist im Gegenteil sogar noch mit einer oro-
graphischen Verstärkung der Niederschläge durch Pressungseffekt (Eckeneffekt) zu rechnen (vgl. auch
Abb. 26 Tafel 10). Die hinter der Störungsfront folgenden Kaltluftmassen (meist mAK) verursachen
die Mehrzahl der mitteleuropäischen Wintergewitter. Bei diesem Wettertyp ist besonders die Lage
im Gebiete von Südostgrönland interessant. Die Kaltluftmassen der Polarkalotte (AK) entleeren sich
zum größten Teil zwischen der Front (Frontalzone) und dem Grönlandmassiv der Ostküste entlang
nach Südwesten. An der quasistationären Front findet ein dauerndes Aufgleiten der Warmluftmassen
(überwiegend mTW) statt, ohne daß die Warmmasse jedoch am Boden Ostgrönland selbst er
reichen dürfte. Die Flächen befinden sich hierbei im dynamischen Gleichgewicht, und die Kaltmasse
hat eine sehr große Beschleunigung, wobei der Widerstand, welcher der vordringenden Warmmasse ent-
gegengese^t wird, so groß ist, daß die Front nur Wellenstörungen ausbildet und erst etwa bei Island die
eigentliche Zyklogenese (Ausbildung der Zyklonen bzw. Störungszentren) einsetjt. Auch hier bestätigt
sich die Wichtigkeit der Beachtung des hyperbolischen Punktes für Diagnose und Prognose, auf den
Bergeron 4 erstmalig hingewiesen hat. Bei einem solchen hyperbolischen Punkte bilden sich auf dem
östlichen Ast schnellaufende, anfangs stabile, bald aber instabile, sich verwirbelnde Wellenstörungen aus
(Zyklogenese, Neubildungen überhaupt, Schnelläufer), während auf dem westlichen Ast eine quasistationäre
Front entsteht.
3. Süd- (S bis SW) Typ.
Im Gegensatz zum Nord-Typ gehört der Süd-Typ (Abb. 24) vorwiegend der wärmeren Jahreszeit an.
Nach Beendigung der winterlichen Kaltluftproduktion Osteuropas und Asiens kommt es im Sommer in
diesen Gebieten umgekehrt zur Entstehung kontinentaler Warmluftmassen. Zwischen dieser osteuropäi
schen Warmluft (cPW bzw. cTW) und den maritim-subpolaren Kaltluftmassen, die West- und Mittel
europa besonders nach Abschluß einer Störungsserie überfluten, verläuft nicht selten die thermodynamisch
wichtigste Trennungslinie vom westlichen Mittelmeer entweder über Oberitalien, die Ostalpen und die
Sudeten bzw. Karpathen nord- oder nordostwärts, in selteneren Fällen auch über Südfrankreich und
die Schweiz dicht nördlich der Alpen über die Sudeten und weiter nordostwärts. Das Hauptentstehungs
gebiet der Störungszentren, die meist als rasch laufende Wellenstörungen in Erscheinung treten, befindet
sich im Gebiete Ostspanien — Balearen — Nordafrika. Besonders effektiv ist diese Abrollungslinie meist
in den Übergangsjahreszeiten, in denen die AK-Produktion noch nicht aufgehört oder bereits wieder
eingeseßt hat.