Gerhart Schinze: Die praktische Wetteranalyse. 45
Das Zeichnen von sogenannten „Spinnengeweben“ (s. Abb. 15) ist ein Nonsens, da ja dann die
Fronten in der Peripherie mit einer unheimlichen Geschwindigkeit (vgl. a. vorigen Absa$) sich bewegen
müßten, was wiederum nur durch gänzlich unnatürliche Gradientverteilung bedingt sein könnte.
Nur in stark verwirbelten Störungen haben die Fronten (speziell die Kaltfront) die Neigung, quer
zu den Isobaren zu verlaufen (s. Abb. 16); zumindest in den inneren Teilen der Zyklone bzw. des
barometrischen Minimums, in den äußeren Teilen einer verwirbelten Zyklone, wie überhaupt in allen
Zyklonen, haben die Fronten (Kaltfronten) dagegen immer eine Neigung, sich speziell parallel zu den
Isobaren zu legen. In der weitaus überwiegenden Anzahl der Fälle bilden außerdem alle Kaltfronten
eine Evolute, die dann später für eine Neubildung von entscheidendster Bedeutung ist. Hier anschließend
sollen einige Prognosenregeln gegeben werden, die erstmalig von Bergeron und Swoboda 3 zur Frage
der Neubildung und Vertiefung barometrischer Minima bzw. Zyklonen aufgestellt wurden.
I. Zur Herbeiführung einer wirklichen Zyklogenese genügt nicht das Vorhandensein der bekannten
wellenförmigen Ausbuchtung einer Front (Anfangswelle) (J. Bjerknes und Solberg 9), vielmehr müssen
Anordnung und Strömung (Druckfeld) der Kaltmassen in der unmittelbaren Nähe der Front so beschaffen
sein, daß sie
a) gleich auf der Störungsrückseite Kaltluftmengen bereitstellen, die zur Verdrängung eines großen
Warmsektors unter schließlicher Umholung des Zentrums quantitativ ausreichen. Ferner, daß sie
b) die Durchführung dieser Bewegungen unter positiver Arbeitsleistung nicht verhindern.
II. Erfüllen die Kaltmassen diese Bedingungen, so sind aber Nachschübe von Luft oder Energie zur
vollen Zyklogenese unnötig; der im werdenden Zyklonengebiet gerade vorhandene Energievorrat reicht zur
Zyklogenese aus. Die Bedingungen Ia und b sind also zur Zyklogenese nicht nur notwendig, sondern auch
hinreichend.
III. Erfüllen die Kaltmassen (Arktische Kaltluft bzw. Polare Kaltluft) jene Bedingungen nicht, so folgt
entweder gar keine Zyklogenese oder vorläufig nur eine wellenartige Störung (Schleifzone) auf der Front
mit unerheblicher Vertiefung des Luftdrudezentrums. Das Regengebiet dagegen kann ebensogut ausge
bildet und sogar von längerer Lebensdauer sein als im Falle I.
IV. Was hier von der dynamischen Wirkung der Kaltmasse (PK) beim Vordringen von subtropischer
Luft (TW) (Warmsektor) gesagt ist, gilt natürlich analog für arktische Kaltluft gegenüber älterer, unten
durchwärmter Polarluft (also PW). Es ist ferner wichtig zu wissen, daß der 50. Breitengrad im Westen
Europas und östlichen Nordatlantik (Bergeron und Swoboda 3) eine bevorzugte Abrollungslinie für Ein-
bruehsfronten zu sein scheint, ob sich nun dabei unter rascher Aufeinanderfolge der Kaltluftschwälle eine
Schleifzone ausbildet oder nicht. Nach einer solchen Abrollung liegt dann stets die Möglichkeit einer
Zyklogenese westlich von Irland oder dem Kanal vor (vgl. а. Кар. IV).
IV. Großzügige Verteilung der Strömungsglieder.
Die Hauptaktionszonen.
Im nun folgenden Abschnitt werden weitere empirische Erfahrungen gegeben, die im letjten Jahr
zehnt mit Hilfe der luftmassenmäßigen Analyse der Wetterkarte sich im Bergener und Breslauer Wetter
dienst ergehen haben. In der Hauptsache soll dabei auf 4 typische Großwetterlagen eingegangen werden,
die zum Teil große Erhaltungstendenz aufweisen und für längere Zeit den Witterungscharakter Mittel
europas bestimmen können. Wir unterscheiden dabei einen West- (WSW bis W) Typ, Nord- (NW bis N)
Typ, Ost- (NE bis SE) Typ und Süd- (S bis SW) Typ.