Dr. Johann Richter: Die Vereisung der Reitsee und südlichen Ostsee im Winter 1928/29.
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unserem Gebiete zu gute kommenden Warmluftmassen den arktischen Gegenden zugeführt. Bemer
kenswert ist, daß sich zu gleicher Zeit auch über dem amerikanischen Kontinent eine ähnliche Wet
terlage zeigte (1). Eine positive Luftdruckabweichung veranlaßt auch hier eine ähnliche Frost
wetterlage, nur nicht so ausgeprägt wie in Europa. Wenn aber die gesamte Masse der Nordkontinente
unter zu hohem Druck gestanden haben, und wenn die Roßbreitenmaxima beider Ozeane zu gering
entwickelt gewesen sein sollten, so würde dies nach Rodewald eine Veränderung der gesamten nord
hemisphärischen Zirkulation bedeuten. Das aber würde auf einen Zusammenhang der strengen
Winter mit der 11jährigen Sonnenfleckenperiode deuten.
Wir wollen nun im einzelnen die Wetterlage des strengen Winters 1928/29 beschreiben (2) und mit
dem ersten Januar 1929 beginnen. Wir sehen über Skandinavien ein Tief, das einen Ausläufer bis
nach Jütland vorstreckt. Desgleichen befindet sich ein Tief über Polen und Westrußland. Ueber
Westeuropa aber hat sich ein Hoch gebildet, dessen Kern sich über England befindet und das bis
zur Mitte Deutschlands, etwa der Linie Hamburg—Prag, reicht. Am 2. 1. hat sich das Hoch nord-
ostwärts bis nach Skandinavien ausgebreitet. Es wird aber durch ein vom Westen her anrückendes
Tief allmählich nach Osten gedrängt und ist am 7. 1. nur noch als langgestreckter, aber in seinem Kern
noch 785 mm starker Keil vorhanden, der von Nordnordwest nach Südsüdost streicht. Am 8. 1. dehnt
sich das Hoch wieder aus und bedeckt ganz Mitteleuropa. Am 10. 1. erfolgt von England her der Ein
bruch eines Teiltiefs, das aber vom Hoch erdrückt wird. Dieses wird vielmehr von Osten her ange
griffen und wieder nach Westen gedrängt. Am 13. 1. befindet sich der Kern des Hochs über Island,
ein zweiter Kern ist über Süddeutschland und den Alpen zu erkennen. Am 16. 1. sehen wir, daß
das Hoch vollständig auf den Atlantischen Ozean gedrängt ist. Ganz Deutschland befindet sich jetzt
im Bereiche der Depressionen, die in Richtung der Ostsee ziehen. Am 17. 1. ist das Hoch zerstört.
Die Reste lassen sich nördlich von Island und über Frankreich und Spanien noch erkennen. Ein
vom Ozean herangezogenes Lief bewirkte die Spaltung. Vom 18. 1. an vereinigen sich die Hoch
druckkerne wieder und beherrschen am 20. 1. wieder ganz Europa. Am 22. 1. schickt ein atlantisches
Tief seine Teildepressionen östlich vor, die das Hoch nach Osten zurückdrängen und reichliche
Schneefälle bringen. Die kleinen Depressionen verschwinden indessen schnell gegen das erneut von
Osten vordringende wieder auflebende Hoch, so daß am 29. 1. in Mitteleuropa bereits wieder Aufheite
rung erfolgt, unterstützt durch die Ausstrahlung der Schneemassen. Dieses Hoch, das ganz Europa
beherrscht, und dessen Kern sich in Nordschweden befindet, wird stationär. Erst am 15. Februar ge
lingt es einem kleinen Teiltief, sich bis zur Elbe vorzuschieben. Nachdem es ausgiebige Schneefälle
verursacht hat, wird es bald von dem stabilen Hoch aufgelöst. Die Lage des Hochs ist fast unver
ändert. Am 21. 2. dringt von Norden her ein Tiefausläufer vor. der das bloch in Schweden etwas
nordwärts, in Europa etwas südwärts drängt. Das Tief bringt am 22. und 25. 2. in unserem Gebiet
vorübergehend Westwinde und ausgedehnte Schneefälle hervor, wandert aber rasch südwärts ab, so
daß sich die alte Wetterlage schnell wieder einstellt. Diese hält sich bis zum 27. 2., dann erkennen
wir, daß der Kern der Anticyklone sich über dem Nordmeere befindet. Ein vom Weißen Meere süd
wärts vordringendes Tief hat das Hoch dahin abgedrängt. Süddeutschland ist bereits unter dem Ein
fluß der Ausläufer dieses Tiefs. Norddeutschland und die Ostsee befinden sich jedoch noch im Be
reiche des Hochs. Am 1. März hat sich das Hochdruckgebiet, dessen Kern sich am 28. 2. über Eng
land befand, erneut über ganz Europa ausgebreitet, mit dem Hauptkern über Norddeutschland und
einem Nebenkern über Polen. Am 2. 5. befindet sich der Kern über Polen. Ein vom Nordmeer süd
wärts vordringendes Tief drängt am 3. 5. das Hoch, das eine langgestreckte Figur annimmt und in
einem langen Bogen von Nordengland bis nach Ungarn reicht, nach Südwesten. Am 4. 3. ist das
Hoch wieder über England, am 5. 3. über Mitteleuropa: am 6. 5. lagert es über Westeuropa und
reicht bis nach Island. Die Ostsee befindet sich im Bereiche der Tiefs. Am 9. 3. ist wieder ganz Eu
ropa, mit Ausnahme des Ostens, unter dem Einfluß des Hochs. Bis zum 20. März bleibt es dann, mehr
oder weniger in seiner Gestalt verändert, in dieser Lage. Dann erfolgt ein Einbruch eines Teiltiefs
von W'esten her und drängt das Hoch nach Südosten ab; am 22. 3. stellt es sich jedoch wieder über
Mittel- und Südeuropa ein und bleibt bis zum 20. 3. in dieser Lage, dann wird es nach Westen ver
frachtet. Am 51. 3. dringt ein Tief vom Nordmeer fast südlich vor und drängt das Hoch am 2. April
1) Koppen, Ueb. d. Periodizität strenger Winter. Ami. d. Ilvdr. usw. 1930. S. 58.
2) Tägliche Wetterberichte. Hamburg. 1929. I.