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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte. — 52. Bd. Nr. 4.
Entscheidend ist nun die Frage, welche Route bei einem Fluge von Island nach Grönland zu wählen
ist, um die günstigsten meteorologischen Verhältnisse anzutreffen. Die Inlandeisstrecke, die mehr aus
wissenschaftlichen Erwägungen heraus bei dem diesjährigen Grönlandflug gewählt wurde, ist meteorolo
gisch zu kompliziert. Die gefahrvolle Strecke von Scoresbysund über das Inlandeis zur Westküste ist zu
lang. Es stehen sich eigentlich nur zwei Routen gegenüber: 1. Reykjavik — Angmagsalik über Inlandeis
zur Westküste und 2. Reykjavik — Cap Farewell zur Westküste. Ferner ist zu entscheiden, ob man den
Zielhafen mehr südlicher, in den Distrikt von Julianehaab oder weiter nördlicher, etwa nach Godthaab
verlegen soll. Nach allem vorher gesagten muß einem Hafen in der Nähe von Cap Farewell der Vorzug
gegeben werden. Die Inlandeisstrecke kann dann vermieden werden und das ist es nicht allein: sehr
häufig ist es so, daß die Wetterlagen an der Ostküste (Angmagsalik) und an der Westküste (Godthaab)
gerade entgegengesetzt sind, entweder gutes Wetter hier und schlechtes Wetter dort oder umgekehrt.
Diese Schwierigkeit wird auf der Route um das Cap Farewell herum nicht in dem gleichen Maße auf treten,
da es sich im allgemeinen um ein Gebiet gleicher „Witterungsphase“ handelt.
Faßt man die Erfahrungen beider Ozeanüberquerungen 1930 und 1931 kurz zusammen, so kommt
man zu folgender flugmeteorologischer Übersicht der Nordroute: Das Wetter auf dem Flugabschnitt List
— Reykjavik war auf beiden Flügen grundverschieden; in einem Falle (1930) wurden die SE-Winde der
Vorderseite einer herannahenden Depression ausgenutzt, wobei allerdings das sehr ungünstige „Vorder
seitenwetter“ (Nebel, tiefe Wolken, anhaltender Regen) in Kauf zu nehmen war, im anderen Falle (1931)
wurde der Flug nach Abzug einer Depression im „Rückseitenwetter“ (wechselnde, aber durchweg gute
Sicht, Schauer) durchgeführt, dessen unangenehmste Erscheinung die starken, zum Teil sehr böigen
Gegenwinde waren. Auf beiden Flügen erwies sich Portland an der Südküste Islands als auffallende
Wetter scheide — in beiden Fällen setzte Sichtbesserung westlich von Portland ein —. Übrigens
ist von Rode wald 8 ) auf diese Wetterscheide bereits früher hingewiesen worden. Damit ist gezeigt
worden, daß der Flug in diesem Abschnitt unter ganz verschiedenen Witterungsbedingungen möglich
ist. Die Flugberatung wird sich auf dieser Strecke ohne wesentliche Schwierigkeiten ausführen lassen,
da unter Einbeziehung des gut organisierten isländischen Wetterdienstes ein umfangreiches Meldenetz
zur Verfügung steht. Das hat sich auf beiden Flügen bestätigt. Was den zweiten Flugabschnitt Island
— Grönland betrifft, so ist bewiesen worden, daß zwei Möglichkeiten bestehen, entweder die längere See
strecke um das Kap Farewell herum zu wählen, oder die Seestrecke durch Überquerung des Inlandeises
zu verkürzen. Letztere Strecke bietet flugmeteorologisch und beratungstechnisch bei weitem die größten
Schwierigkeiten; sie sind im vorhergehenden bereits klar gelegt worden.
Alle Ausführungen beziehen sich lediglich auf Erfahrungen in den Sommermonaten und haben
infolgedessen nur für diese Jahreszeit Gültigkeit. 6
6 ) Siehe Annalen der Hydrographie Sonderheft 4, „Arktis“.