R. Becker und G. H. Bau mann: Beiträge zur Meteorologie des Luftweges über Grönland. 47
Höhe ist eine Vereisung sehr wahrscheinlich. Eine für europäische Verhältnisse außergewöhnliche
Berücksichtigung der Vereisungsgefahr ist im Sommer sicher nicht erforderlich.
Die Eisverhältnisse an der grönländischen Westküste bieten im Sommer kein direktes Flug
hindernis (Vom Eisnebel also abgesehen.). Die Fjorde und auch die Küste sind fast das ganze Jahr
hindurch eisfrei, so daß der Motorbootsverkehr längs der Küste kaum unterbrochen wird. Bei starken
Südwestwinden kommt es aber doch gelegentlich vor, daß die Treibeismengen in die Fjorde eindringen
und einige Häfen, wie beispielsweise Julianehaab, entweder mit Eis anfüllen oder blockieren. Dies ist
sehr viel seltener der Fall an der Küste bei Godthaab, da das Treibeis dort bedeutend abgenommen hat.
Der Küstendistrikt Godthaab kann gewissermaßen als „eisfreie Zone“ bezeichnet werden, da 400 km
nördlich von Godthaab, im Distrikt Holstensborg und nördlich davon, das winterliche Festeis beginnt.
Nähern sich Störungen der Küste, so frischt der Wind zuweilen sehr plötzlich auf, infolge des
entstehenden hohen Druckgefälles (da das Hochdruckgebiet über Grönland Widerstand leistet) und der
Strömungseinengung an der Küste. Das vorübergehend starke Auffrischen des Windes ist über den
Fjorden besonders ausgeprägt. Des öfteren wurden weit im Innern der Fjorde an Wolkenbildungen
starke Fallwinde beobachtet und zwar solchen Ausmaßes, daß sie ein Flugzeug beim Fluge in den
Fjorden erheblich gefährden.
Nach Beobachtungen in Godthaab überwiegt in den Bodenwinden die Westkomponente mit über
70%. Dieses Ergebnis würde ohne Berücksichtigung der Höhenwinde ein vollkommen falsches Bild der
mittleren Strömungsverhältnisse geben. Die Westwinde sind größtenteils sehr schwach, vielfach sind es
Seewinde, die von östlichen Winden überströmt werden. Auf diese Windschichtung deuten schon die
lenticularis - Formen der Wolken hin, die auch zu beobachten sind, wenn am Boden auflandiger Wind
herrscht. Die Höhenwindmessungen geben hierüber Aufschluß. Im Folgenden soll das Ergebnis einer
Meßreihe vom 21. Juli bis zum 7. August mitgeteilt werden. Von insgesamt 21 Aufstiegen ergaben 18
am Boden Westkomponente und nur 3 Ostkomponente. Bei 17 Aufstiegen war dagegen in der Höhe eine
Drehung auf östliche Richtung festzustellen, und zwar lag die Drehung in 9 Fällen bei 500 m, in 3 Fällen
bei 1000 m, in 2 Fällen bei 2000 m Höhe, während 3 Aufstiege bereits am Boden östliche Winde zeigten.
Die 500-m-Schicht fällt durch ihre größere Häufigkeit auf und darf wohl als obere Begrenzung des See
windes gelten. Mit dem Windsprung wird wahrscheinlich auch ein Temperatursprung verbunden sein,
da die allgemein ziemlich mächtige Ostwindschicht dynamischer Erwärmung unterliegt. Diese Tempe-
raturerhöhung in den oberen Schichten dürfte die Erklärung dafür sein, daß der Seenebel trotz auf
landigen Windes die Küste nicht erreicht oder gar völlig verschwindet. (Strahlungsvorgang, d. h. die
Auflösung des Nebels erfolgt dann direkt durch zugestrahlte Wärme von oben.)
Die mittleren Windstärken im Juli und August 1931, gewonnen aus 3 täglichen Terminbeobachtungen,
betrugen durchweg Stärke 2 -3, ein im Vergleich zu mitteleuropäischen Verhältnissen geringer Wert.
Erst Ende August wurden die Windstärkeschwankungen größer, ohne aber den Mittelwert wesentlich zu
verändern. Die Zahl lokaler Störungen mit vorübergehend auffrischenden Winden wuchs etwas an. Ein
einziger Sturmtag ist zu verzeichnen, es war der 23. August, wo eine Zyklone, von Westen kommend, über
Grönland hinweg ostwärts zog. Aus den allgemein schwachen Winden am Boden und den vorherrschen
den östlichen Winden in der Höhe muß man auf eine Druckverteilung mit hohem Druck im Osten, also
über Grönland, schließen. Es sei hier nochmals betont, daß damit nichts, was für die unbedingte
Stabilität des grönländischen Hochs spräche, angedeutet sein soll, sondern lediglich ein Hinweis auf die
große Häufigkeit dieser Druckverteilung gegeben werden möchte. Es ist bemerkenswert, daß die Ost-
winde einer mittleren Schicht von 500 bis etwa 3000 bis 5000 m Höhe angehören, darüber aber eine
ziemlich kräftige, z. T. 'orkanartige Nordströmung vorhanden ist. Die eingeschaltete Ostwindschicht be
stätigt die Annahme einer glazialen Antizyklone. Der darüber befindliche Nordwind ist wahrscheinlich
ein Glied der hemisphärischen Hauptzirkulation, dieselbe Strömung, die auf einer ,,Meteor“-Expedition 5 )
im Sommer 1928 im Raume Island—-Grönland festgestellt worden ist.
s ) Archiv der Deutschen Seewarte 1930, 49. Bd.