44
Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte. — 52. Bd. Nr. 4.
Wind zu und erreichte binnen kurzer Zeit Stärke 9 —10, in Böen sogar Stärke 11. Der orkanartige
Sturm dauerte 14 Stunden mit Seegang 9 —10. Während der ganzen Zeit hielten auch Nebel und Regen
an. Aus Meldungen der Küstenstation Julianehaab und Frederikshaab, die beide fast Windstille hatten,
ging hervor, daß es sich um ein in einiger Entfernung von der Küste entwickeltes „Sturmband“ handelte,
das sich nur langsam ostwärts bewegte und am folgenden Tage die Küste selbst erreichte. Dabei lagen
die Verhältnisse dann umgekehrt: auf See ESE 2, an der Küste SE 9. In Übereinstimmung damit befand
sich die Beobachtung, daß, nachdem das Schiff mit nördlichem Kurs wieder weiterdampfte, der Wind
ganz plötzlich auf Stärke 2 abflaute, ebenso der Seegang schnell nachließ. Anscheinend war das Schiff
in dem Augenblick in den Windschatten der Südspitze Grönlands bei südöstlichen Winden eingefahren.
Gewiß sind ähnliche Stürme auf dem Ozean keine Seltenheit, doch treten sie am Kap Earewell mit auf
fallender Regelmäßigkeit auf. Der Grund dafür ist in lokalen Verhältnissen zu suchen: Gradient
verschärfung durch Grönland hoch, Dü senwirkung durch Grönlandkontinent.
Flugmeteorologisch bedeutungsvoll sind diese Wetterlagen, da unter solchen Verhältnissen Flüge an
der Südküste durch starke Böigkeit und den meist mit SE-Winden verbundenen Küstenstau sehr erschwert
werden. Andererseits dürfte die Vorhersage dieser Stürme keine Schwierigkeiten bereiten.
Ganz allgemein lassen sich zwei Witterungstypen herausgreifen, die dem Wetter an Grönlands West
küste das Gepräge geben. Es sind das kontinentale, thermisch bedingte Hochdruckgebiet und relativ
niedrige Luftdruck über der Davisstraße, der in den meisten Fällen nur als schwaches Teiltief oder
Ausläufer der südlich von Kap Farewell vorüberziehenden Zyklonen ausgebildet ist. Der direkte Einfluß
der Grönland im Süden passierenden Tiefdruckgebiete reicht im allgemeinen nicht bis in die Breite von
Godthaab nordwärts; hier sind es Ausläufer, die im Zusammenhang stehen mit Tiefdruckgebieten, die
die sehr viel nördlichere Bahn über Nordkanada zum Baffinland ziehen und dort meist zur Auffüllung
kommen. Etwa 200 km südlich von Godthaab liegt die neutrale Zone, die die Grenze zwischen den
Störungen des hohen Nordens und des Atlantik darstellt. Geringe Stärkeschwankungen des festländischen
Hochs oder auch kleine Intensitätsänderungen des tiefen Druckes über der Davisstraße rufen vollkommen
verschiedene Witterungsverhältnisse an der Westküste hervor. Für die Witterung an der Westküste
entscheidend ist der Wind. Bei Winden mit westlicher Komponente treibt der über dem Kaltwasser der
Davisstraße fast immer vorhandene Nebel an die Küste und in die offenen Fjorde hinein. Enge, durch
hohe Berge nach See zu abgeschlossene Fjorde sind vor diesem Nebel weit mehr geschützt. Nicht die
Windrichtung allein, auch die Stärke des Windes spielt eine Rolle. Sind die Winde nur sehr schwach, so
genügt unter Umständen die durch kräftige Einstrahlung verursachte Erwärmung der Küste, den Nebel
sofort zur Auflösung zu bringen und einen in seiner Breite allerdings veränderlichen Küstenstreifen vom
Nebel frei zu halten. Gänzlich anders liegen die Verhältnisse, wenn Winde östlicher Komponente vor
herrschen: Es setzt föhnartiges Auf klaren ein, wobei der Nebel nach See hinaus gedrückt wird, doch auch
bei diesen Wetterlagen von der Küste aus als grauer Streifen sichtbar bleibt. Bei manchen Wetterlagen
weicht der Nebel nicht mehr als 500 m bis einige Kilometer von der Küste zurück und ändert seine Lage
während des ganzen Tages nicht. In solchen Fällen ist angesichts des drohenden Nebels eine Prognose
(ob Nebeleinbruch oder nicht) außerordentlich schwierig. Alles dies gilt in erster Linie nur für die Küste;
innerhalb der Fjorde besteht die Gefahr der plötzlich einbrechenden Seenebel nicht — ein großer Vorzug
von Flughäfen innerhalb der Fjorde! Aus diesem Grunde kommt Godthaab als Stützpunkt für einen
regelmäßigen Verkehr kaum in Frage. Da alle übrigen Stationen der mittleren und südlichen West
küste in mehr oder weniger stark ausgesprochener Weise denselben Nachteil haben, sind kleine Plätze
fjordeinwärts vorzuziehen.
Die folgenden Ausführungen sind durch Zahlenangaben belegt und vermitteln ein etwas greifbareres
Material. Es wurden während der Monate Juli und August für Godthaab die Nebeltage ausgezählt, wobei
man unter Nebeltage solche Tage zu verstehen hat, an denen überhaupt Nebel geherrscht hat. Ein Tag
mit Morgenebel (von dünnem Bodennebel abgesehen) würde also als Nebeltag zu gelten haben. Im Juli
waren unter 23 Tagen 8 Nebeltage, also 35% aller in die Beobachtung einbezogenen Tage; im August -stieg
dieser Wert sogar auf 45% bei 27 Tagen. Dabei ist aber noch zu berücksichtigen, daß die Tage ohne Nebel