R. Becker und G.H. Baumann: Beiträge zur Meteorologie des Luftweges über Grönland.
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Normalerweise muß man zur Beurteilung dieser Fragen die Windverhältnisse in allen Höhen
schichten kennen. Der Flugweg über Grönland macht hiervon eine Ausnahme. Ein Flugzeug wird sich
bei der Überfliegung Grönlands immer in der Nähe des Bodens halten. Einmal ist schon eine erheb
liche Steigleistung erforderlich, um überhaupt über das Inlandeis herüberzukommen und dann braucht
man wegen der ebenen Oberfläche des Inlandeises gegen sehr niedriges Fliegen im allgemeinen keine
Bedenken zu haben. Dies ändert sich natürlich bei der Annäherung an die Küste mit ihren zerklüfteten
Formen. Aber gerade hier hätten Höhenwinde erst recht keinen Zweck, da bei den in Betracht kommen
den Flughöhen die komplizierten Geländeformen noch ihren vollen Einfluß auf die Luftströmungen aus
üben. Was den Flieger interessiert, könnte nur für einen jeweils ganz bestimmten Ort durch eine
Spezialuntersuchung (die sicher sehr schwierig sein wird) festgestellt werden. Trotz alledem soll aber
auch hier im Anschluß an die zunächst folgenden Betrachtungen über die Bodenwinde etwas über
Höhenwinde mitgeteilt werden; einmal wegen einer zu erwartenden Entwicklung der Luftfahrt, für die
auch größere Höhen in Betracht kommen können und dann auch wegen der sehr interessanten Auf
schlüsse, welche die Höhenwindmessungen über den physikalischen Bau der grönländischen Atmosphäre
liefern. Alle bisher gebrachten statistischen Tatsachen gewinnen dann vor diesem physikaliseh-aero-
logischen Hintergrund an Anschaulichkeit. Die, anläßlich des Fluges des Herrn von Gronau über das
Inlandeis, in Godthaab durch Baumann angestellten Pilotwindmessungen sollen dabei auch verwendet
werden.
Das Gefahrenmoment eines Sturmes besteht darin, daß einmal übermäßige Geschwindigkeitshem
mungen und Abtriften des Flugzeuges erzeugt werden und dann besonders in der Böigkeit, die mit zu
nehmender Windstärke immer mehr wächst.
Die Prozentzahlen der Tage mit Sturm an der Küste in den einzelnen Monaten sind in Tabelle 12
angegeben. Die Zahlen sind aus langjährigen Mitteln gewonnen und zwar für die gleichen Stationen,
die auch schon in Fig. 6 (Tafel 1) verwandt wurden”). Die Wahrscheinlichkeit eines Sturmes ist für
alle Stationen und für alle Jahreszeiten gering. Die Maxima der Sturmhäufigkeit liegen im allgemeinen
im Winter, die Minima im Sommer. Auffallend ist der hohe Prozentsatz der Tage mit Windstillen, wes
halb diese Zahlen in Tabelle 12 mitangegeben wurden. Die geschützte Lage von Ivigtut zeigt sich hier
Häufigkeit von Stürmen in %. Tabelle 12.
J
F
M
A
M
J
J
A
S
o
N
D
Jahr
Stillen
Upernivik
1.0
1.1
2.3
0.3*
0.4
0.7
1.0
1.9
1.3
1.9
1.3
1.3
1.2
30
Jacobshavn
3.2
3.2
2.6
1.0*
2.3
2.3
1.6
2.6
3.3
3.2
3.3
4.8
2.8
35
Godthaab
2.3
3.6
2.9
2.7
1.9
1.0*
1.0*
1.6
3.3
3.2
3.0
3.2
2.5
14
Ivigtut
1.9
1.1
1.3
0.7
0.7
0.7
0.4*
0.4*
0.7
0.7
0.7
1.3
0.8
50
Angmagsalik
3.2
3.6
3.2
1.3
0.3
0.2
0.0*
1.1
0.7
1.0
0.0*
1.6
1.3
51
wieder durch 50% Tage mit Stille pro Jahr. Der ungünstigste überhaupt vorhandene Wert ist 4,8%
Sturmtage pro Monat. Dies ist die mittlere Sturmhäufigkeit im Dezember in Jacobshavn. Auch bei der
Sturmhäufigkeit zeigt sich die schon wiederholt konstatierte Erscheinung, daß in der Klimatologie der
grönländischen Küsten die lokalen Verhältnisse die allgemein geographischen überdecken.
Ganz besonders gilt dies von der Böigkeit in den Küstengebieten. Allgemein wird die Böigkeit
dort besonders, verstärkt und unangenehm sein. Unter besonderen lokalen Umständen können diese Er
scheinungen bis zu einer Gefahr anwachsen. Auf Seite 6 wurde bereits darauf hingewiesen.
2S ) Das Material wurde entnommen aus 1 ).