R. Becker und G. H. Baumann: Beiträge zur Meteorologie des Luftweges über Grönland.
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Zu einem abschließenden Urteil über den Wert der Nebelhäufigkeitszahlen als Maß für die Wahr
scheinlichkeit ernstlicher Sichtbehinderung ist noch eine kritische Betrachtung der Beobachtungs
methoden und der Grundsätze nötig, nach denen die Nebelbeobachtungen angestellt worden sind. An den
Küstenstationen wurden wohl die Tage gezählt, an denen mindestens einmal an der Station Nebel be
obachtet worden ist, wobei sich aber nicht feststellen läßt, wo die Grenze zwischen Dunst und Nebel
angenommen wurde. Die Berücksichtigung von Horizontalausdehnung und Vertikaldicke der Nebel
massen ist auch nicht möglich. Dasselbe gilt für die Expeditionsbeobachtungen, obwohl hier an Hand
der ausführlichen Berichte noch eher eine Beurteilung möglich wäre. Bei der Auszählung der Nebel
tage wurde in Zweifelsfällen nach praktisch fliegerischen Gesichtspunkten entschieden. War z. B. im
Expeditionsbericht „Nebelbank am Horizont im SW“ angegeben, so wurde das als Fall von Nebel mit
gerechnet, denn bei der hohen Geschwindigkeit eines Flugzeuges wird eine in Sicht befindliche Nebel
masse bald erreicht sein, das Flugzeug sich also dann tatsächlich im Nebel befinden. Nicht mitgezählt
wurden aber Fälle, bei denen es hieß: „Nebel rings am Horizont“, denn hier handelt es sich offenbar
nur um Dunstmassen. Diese Dunstmassen sind in den sommerlichen Zeiten, in denen die Expeditionen
stattfanden außerordentlich häufig, ganz besonders in den zentralen Gebieten des Inlandeises. Schnee
oberfläche und Horizont schwimmen bei solchem Wetter zu einer grauweißen leuchtenden Masse zu
sammen. Liegen dann noch einige Wolkenschatten auf dem Gelände, so wird dessen Relief völlig ent
stellt und trotz des nur leichten Dunstes lassen sich dann Horizont und Boden nicht ausmachen. Kommt
dann noch das außerordentlich häufige Schneefegen hinzu, so ist das ganze Gesichtsfeld ein unentwirr
bares Gewoge von Licht und Schatten. Zwar wird man sich durch genügend starkes Steigen immer
einen Horizont hersteilen können, aber die Höhe über dem Boden läßt sich dann durch Sicht vom Flug
zeug aus nicht mehr feststellen. Bedenkt man dies alles, so ist wohl anzunehmen, daß die für das In
landeis ermittelten Zahlen für Nebeltage kein zu ungünstiges Bild liefern, trotzdem es als feststehend
angesehen werden kann, daß die Intensität des Nebels auf dem Inlandeis nur selten die Größen er
reicht, die für den Seenebel der Küste häufig sind.
Es soll nun noch versucht werden, die Verteilung der Nebelhäufigkeit auf dem Inlandeis im ein
zelnen darzustellen. Die bisherigen Darstellungen betrachten das Inlandeis (die Gebiete oberhalb 1500 m)
als Ganzes. Im folgenden wird aber der Versuch gemacht werden, die Verteilung der Nebelhäufigkeit
längs den Überquerungsprofilen und schließlich auch auf der ganzen Fläche des Inlandeises zu er
mitteln. Es sollen längs den Expeditionswegen Kurven der Nebelhäufigkeit entworfen werden und
ebenso für die ganze Fläche des Inlandeises Linien gleicher Nebelhäufigkeit.
Zu diesem Zwecke wurde die Reihe der Expeditionsreisetage untereinander aufgeschrieben und die
Tage, an denen Nebel beobachtet wurde, markiert. Dann wurde ein Intervall von 10 Tagen längs dieser
Reihen verschoben, und zwar immer um einen Tag. Die in das Intervall fallenden Nebeltage wurden
dabei jedesmal ausgezählt und als Zehner Prozent notiert. Als Zeit und Ort eines jeden so erhaltenen
Punktes wurde dann immer der der Mitte des Intervalls zugehörige Zeit- und Ortspunkt angesetzt.
Die Figuren 7 und 8 (Tafel 1) zeigen das gewonnene Resultat. Nansens Expedition fällt wie bereits
erörtert weg. Die in den Figuren gekennzeichneten Kurven zeigen die Verteilung der Häufigkeit der
Nebeltage in Prozent längs den Expeditionswegen von De Quervain und Koch-Wegener. Die auf der
Abszisse angegebenen Zeiten bezeichnen die Zehntagsintervalle. Die Kurven sind wieder begrenzt von
der Seehöhe 1500 m, so daß sich die letzten Zehntagsintervalle an beiden Enden noch 5 Reisetage unter
halb jener Grenze erstrecken.
Der erhaltene Verlauf ist sehr regelmäßig. Aus den Linienzügen hebt sich jedesmal ein starkes
Maximum in der Mitte heraus. Um nun eine etwaige Gesetzmäßigkeit in der Lage der Maxima zu
ermitteln, wurde in den Figuren die sogenannte „Zentralzone“ durch Schraffierung gekennzeichnet.
Diese Zentralzone im Innern Grönlands ist dadurch gekennzeichnet, daß sie eine sehr tiefe Temperatur
mit sehr starken aber regelmäßigen täglichen Schwankungen zeigt und sich aus ihrer Umgebung
mehr oder minder unstetig heraushebt. Die Figuren 2 bis 4 (Tafel 4 bis 6) lassen dies erkennen. Eine