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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte — 52. Bd., Nr. 3
nur der gemäßigten und höheren Breiten, sondern auch noch bis weit in die Tropenzone hinein,
wie die Höhenwindmessungen dieser Fahrt veranschaulichen konnten.
Von all der Veränderlichkeit der Luftmassenbewegung auf Grund der gegebenen Luftdruck
verteilung wird der Passatluftkörper nur wenig beeinflußt. Zwischen 4° und 20° N. Br. ist der
Passatluftkörper von etwa 1000 m Höhe fast unverändert, ob nun über ihm die tropischen Ost-
winde wehen oder die westlichen Winde der gemäßigten Breiten. Seine geringe Veränderlich
keit verschafft ihm eine Sonderstellung in der allgemeinen Luftzirkulation, und diese verdankt
er der gleichbleibenden Wärmezufuhr von der Wasseroberfläche und dem fast gleichbleibenden
Wärmeverlust durch die Ausstrahlung.
Die Nordgrenze des Passat wird in der Nacht zum 10. April erreicht, als die durch das Tief
vor der marokkanischen Küste erzwungene Luftbewegung die Passatinversion zerstört. Die
Aufstiege Nr. 70 bis 72 am 10. April zeigen alle eine fast gleichartige Nordwestströmung, die im
Laufe des Tages an Geschwindigkeit zunimmt. Je nachdem, wo sich der Ort der folgenden
Aufstiege in bezug auf das Tief vor der marokkanischen Küste befindet, wird eine andere, aber
einheitliche Windrichtung bis zu der Endhöhe gefunden.
Mit Annäherung an die Iberische Halbinsel kommt am 13. April die „Sierra Ventana“ immer
mehr in den Bereich des Hochdruckgebietes über dem östlichen Atlantik. Es werden bis zur
Endhöhe von 6 km schwache östliche Winde beobachtet. Fast das gleiche Bild zeigen die Auf
stiege am nächsten Tag in Lissabon und bei den Berlengas, abgesehen von den unter
sten Schichten, die lokal beeinflußt sind, schwache östliche Winde, die oberhalb von 3 km an
Geschwindigkeit zunehmen. Dies läßt darauf schließen, daß die Tätigkeit des Tiefs vor der
marokkanischen Küste noch nicht ganz erloschen ist.
Der nächste Aufstieg südlich von Kap Finisterre zeigt eine ganz unregelmäßige schwache
Windverteilung bis 5 km Höhe, die für ein Hochdruckgebiet in der Nähe der Divergcnzlinie
eigentümlich ist. Die starke Windbeschleunigung, die trotz des kleinen Luftdruckgradienten in
dem Hochdruckkeil bei Kap Ortegal aufgetreten war, konnte durch eine Höhenwindmessung nur
sehr unvollkommen erfaßt werden, weil der Ballon schon in 600 m Höhe in den Wolken ver
schwand. Der letzte Pilot, der in der nördlichen Biskaya gestartet wurde, fand ungünstige
Beobachtungsbedingungen: Schornsteinrauch, tiefe Wolken und starke Schiffsbewegungen ließen
ihn nur bis 1000 m Höhe verfolgen.
IV. Die Einwirkung der atlantischen Inseln auf das
Stromfeld und das Luftdruckfeld.
1. Die Veranlassung zu den Beobachtungen.
Auf den früheren Fahrten der Deutschen Seewarte sind die Störungen des Stromfeldes der
Luft durch die atlantischen Inseln beobachtet und bei den Fahrtbearbeitungen beschrieben
worden. Die Beobachtungen waren aber alle mehr oder weniger qualitativ, da sie in erster
Linie nur zur Erklärung der Wolkenphänomene an den Inseln herangezogen wurden. Nicht
nur auf die Bewölkungsverhältnisse machen sich die Auswirkungen der Stromfeldstörungen
bemerkbar, denn Sol tau 4 weist in seinem Bericht über die Einweisungsfahrt „A“, 1928, darauf
hin, daß auch gleichzeitig mit der Störung des Stromfeldes eine Störung des Luftdruckfeldes
einhergehe, und zwar sei die Störung des Druckfeldes von solcher Größenordnung, daß sie
durchaus der Beobachtung zugänglich ist.
Es ist daher auf dieser Fahrt mit D. „Sierra Ventana“ ein besonderes Augenmerk auf die
Stromfeld- und die Druckfeldbeeinflussung durch die Inseln gelegt worden, um zu versuchen,
4 A. d. Archiv d. D. 8., 1930, 49. Bd., Nr. 1, S. 21 ff.