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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte. — 51. Band Nr. 1
es war nur leichte See und wenig Wind. Die Kimm war leider meist dunstig, so daß der Auf- oder Untergang von
Sonne und Mond vielfach getrübt wurde. Am 30. Januar trafen wir gegen 14 Uhr in Freetown ein und gingen mit
dem ganzen Gepäck an Land. Die uns gestellte Aufgabe erforderte eine möglichst lange Küstenfahrt, so daß es
sich nicht empfahl, den nächsten Passagierdampfer abzuwarten. Es traf sich daher günstig, daß am 1. Februar der
Frachtdampfer „Immo“ einlief, der in langsamerer Fahrt unter Anlaufen von Bissao nach der Heimat zurück
kehren sollte. Mit ihm erreichten wir diesen letztgenannten Ort am 3. Februar und blieben dort bis zum 5. an der
Mole liegen, so daß wir von dieser aus drei Aufstiege machen konnten. Doch auch hierbei erreichten wir keine
größeren Höhen, weil in 9500 m eine kräftige Dunstschicht lag und am zweiten Tage der Ballon in 8400 m
platzte.
Bis Las Palmas blieben wir von meist klarem Wetter mit wenig Wind und ruhiger See begünstigt, erst in der
Nähe der Kanarischen Inseln häuften sich wieder die Hinderniswolken. Vom 10. Februar 20 Uhr bis 11. Februar
13 Uhr lagen wir im Hafen von La Luz. Beim Verlassen des Hafens nahm die Bewölkung, Wind und Seegang zu,
vom 12. ab hatten wir Regenschauer. Am 15. erfolgte erhebliche Verschärfung, über Tag frischte der Wind immer
mehr auf und nachmittags gab es bei Hagel- und Regenfall Sturmböen bis zu 24 msk aus WzN und Seegang 7.
In der Nacht nahm der Wind wieder ab, aber der Rest der Fahrt war vorwiegend bewölkt bei lebhaften west
lichen Winden. Die Lufttemperatur ging jetzt rasch zurück, am 18. wurde 6 Uhr Kap Ouessant gerundet, wobei
nur noch 4- 4,4° abgelesen wurde. Die Küste zeigte Schnee, daher wurde es gegen Abend stark dunstig und die
Einfahrt von Le Havre war am 19. Februar mittags durch dichten Nebel behindert. Auch die Ausfahrt erfolgte
am 21. früh 6 Uhr bei Nebel; um 19.30 Uhr wurde Dover passiert. Am 22. nachmittags wurden um 15.30 Uhr
zwischen Terschellingbank und Borkumriffin etwa 10 sm Abstand von der Küste die ersten Eisschollen angetroffen,
dabei sank die Lufttemperatur plötzlich von +4° auf + 2,5°, die Wassertemperatur von 5 0 auf o Grad. Die
Eisschollen rückten bald zu größeren Eisfeldern zusammen mit zunehmender Schollendicke und Größe, zwischen
denen die Wasseroberfläche vielfach frisch gefroren war, aber dem Schiff leicht nachgab. Gegen Abend waren
kaum noch eisfreie Stellen zu sehen und wir fuhren nachts bei immer dicker werdendem Wetter durch eine Polar
landschaft. Die Eisschollen versetzten dem Schiff schon merkbare Stöße. Der Nebel zwang uns am 23. morgens bei
Feuerschiff Elbe I zu ankern. Nachmittags frischte endlich der Wind auf und brachte zeit-weise Sichtbesserung,
so daß wir gegen 15 Uhr einen kurzen Versuch machten, weiterzufahren. Erst gegen 18 Uhr konnten wir jedoch
bei schneller Sichtbesserung endgültig weiterfahren, bekamen gleich darauf den Lotsen, der uns in langsamer
Fahrt durch schweren Eisgang, der sich in heftigen Stößen und fast anhaltendem Kratzen und Scheuern bemerk
bar machte, die Elbe aufwärts brachte. Am 25. Februar machten wir um 5 Uhr früh im Hamburger Hafen fest.
Die wissenschaftlichen Arbeiten an Bord.
Als Ausrüstung war den Fahrtteilnehmern mitgegeben: Eine englische Hütte, 1 Thermograph, 1 Barograph,
1 Aßmannsches Psychrometer, 1 Handanemometer, 1 Theodolit nach Wegener-Kuhlbrodt (iofache Vergrößerung),
etwa 120 Gummiballone, teilweise von Saul (Aachen), größtenteils von Continental (Hannover), 20 Wasserstoff
flaschen, reichliches Schreibmaterial, die nötigen Tabellen usw.
In den ersten Tagen bis Southampton konnten aus Rücksicht auf den Schiffsbetrieb keine Beobachtungen
und Aufstiege gemacht werden. Wir mußten uns also während dieser Zeit mit den Vorbereitungen begnügen
und die geeigneten Punkte zur Aufstellung der Instrumente und Apparate aussuchen. Sofort nach Verlassen dieses
Hafens begannen wir mit dem Aufbau der Hütte auf dem Kompaßdeck der oberen Brücke, für die der Schiffs
zimmermann bis zum nächsten Morgen die nötigen Stützen schnitt. Wir stellten auch sofort die ersten Wasser
stof flaschen auf und machten Vorübungen im Beobachten kleiner Ballone, damit wir beim Erreichen ruhiger
Gewässer mit den richtigen Arbeiten beginnen konnten. Als Beobachtungsort suchten wir zunächst das achtere
Sonnendeck auf, das über dem Rudermaschinenhaus aufgebaut war. Dort glaubten wir uns sicher vor Behinderung
durch Schiffsteile und besonders durch Rauch, zumal das Schiff eine Oelfeuerung besaß. Die Erschütterungen der
Rudermaschine erwiesen sich aber doch zu stark, so daß wir das Feld unserer Haupttätigkeit bald nach dem Offi
ziersdeck in Höhe der unteren Brücke verlegten, wo wir je nach Bedarf an den beiden Seiten oder der Achterkante
beobachten konnten. Freilich mußten wir hier in Kauf nehmen, daß der achtere Mast mit seinem stehenden und
laufenden Gut öfters in das Blickfeld kam und beim Seitenwechsel des Ballons zeitweise keine Kimm zu sehen war.