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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte. — 51. Bd., Nr. 2
In Bissao (ll 0 52'N), der Hauptstadt von Portugiesisch-Westafrika, die als nächster Hafen
angelaufen wurde, berichtete man uns, daß vor wenigen Tagen die letzten heftigen Monsunregen
niedergegangen seien. Hier wurde auch zum ersten Male seit der Passatzone eine relative
Feuchtigkeit von 90 c !o erreicht; hier begannen auch auf unserer Fahrt die bislang nur im SE
und S beobachteten Ferngewitter in Nahgewitter überzugehen (siehe folgenden Abschnitt). Der
Charakter des SW-Monsuns trat also immer deutlicher in Erscheinung.
Kehren wir aber nochmals nach Bissao zurück!
Schon am Vormittag des 3. November zeigte die Wasserfarbe im Mündungsgebiet des
Rio Geba die Landnähe an. Das undurchsichtig grüne oder gelbgrüne, bisweilen auch vom
treibenden Sumpfschilf ganz gelbe Flußwasser durchsetzte in scharf abgegrenzten Streifen das
tiefblaue klare Meerwasser, so daß die Wasserfläche den Anblick eines in satten Farben bunt
gestreiften Teppichs bot. Bald kam die Cajo-Insel in Sicht. Aber es dauerte noch bis abends
17 h 30 m , ehe der Anker auf der Reede von Bissao fallen konnte. Denn Bissao liegt etwa 50 See
meilen hinter der Küstenlinie, die hier im Bereiche der Bissagos-Inseln die reichste Gliederung
an der ganzen westafrikanischen Küste aufweist.
Diese beträchtliche Entfernung von der offenen See zeigte sich in der Cu-Bewölkung, die
den Charakter der kontinentalen Schönwetter-Cu trug, in der lebhaften Gewittertätigkeit am
Abend und in der Tagesschwankung der Temperatur, die hier den größten Betrag während der
ganzen Forschungsfahrt erreichte, wie ein Blick auf die Abbildung 6 zeigt 12 . Mit einem Tages
minimum von 24,7° C am Morgen des 5. November 13 wies das Thermometer den tiefsten Stand
auf während des tropischen Reiseabschnitts.
Die Ausfahrt von Bissao am Nachmittag des 5.November geschah durch das schwierige Fahr
wasser des neu erschlossenen Südkanals. Ehe wir die offene See erreichten, traf uns eine trockene
Bö, um Mitternacht des 5. auf 6. November der erste Tornado (siehe folgenden Abschnitt).
Am folgenden Mittag rundete die „Livadia“ den alten Vulkankrater der Isle de Los im Süden
und lief am 6. November 13 h 30 m in den Hafen von Conakry ein. Am 7. November verließen
wir Conakry am Abend und waren am folgenden Morgen vor Freetown angelangt, das unser
Reiseziel werden sollte, da sich die ursprünglich erhoffte Weiterfahrt bis Monrovia wegen der
Dampferverhältnisse nicht ermöglichen ließ. Dieser letzte Abschnitt der Ausreise war so be
herrscht von den Gewittererscheinungen, daß wir zu deren zusammenfassender Betrachtung
nunmehr übergehen müssen.
3. Die Gewitter während der Tropenreise.
(„Tornados.“)
Mit dem Namen der „westafrikanischen Tornados“ werden heftige Gewitterböen bezeichnet,
die an der Küste Westafrikas von etwa 20° N bis zum Äquator Vorkommen und an die Grenz
zone zwischen Harmattan und Monsun gebunden sind. Die bisweilen zerstörende Wirkung der
mit den Böen verbundenen Windstöße hat ihnen die Bezeichnung „Tornados“ eingetragen, trotz
dem sie mit den echten Tornados der Vereinigten Staaten nichts zu tun haben. Es sind heftige
Gewitter, die nachmittags oder abends im Land entstehen und mit dem kräftigen Oberwind, dem
12 Privattagebuch Geiger, 4. November: „ . . . Wir empfinden den Einfluß des Landinneren sehr angenehm. Es ist
die Temperaturschwankung am Tage hier wesentlich größer als draußen unmittelbar an der Küste. Das bedingt
zwar einen heißen Mittag, aber eine merkliche Abkühlung nachts. Ja, als gestern abend die Temperatur
bei leichter Brise einige Zehntel unter 28° herunterging, empfand man es wie eine kühle deutsche Sommernacht.“
18 Der Wert ist der Registrierung in der Hütte auf dem Peilkompaßdeck entnommen.