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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte. — 51. Bd., Nr. 2
ein großer Ast-Schirm herauf, der eine scharfe vordere Grenze hatte; diese Grenze lief von
N nach S, lag also etwa parallel zur herannahenden Kaltfront. Vor der Grenze war in kurzem
Abstand ein Cist-Streifen erkennbar, der um 12 h 12 m den Zenit erreichte. Um 14 h war bei auf
frischendem SSW-Wind bereits sehr grobe See, und eine hohe kurze Dünung stand aus WSW.
Die Fahrt der „Livadia“ ging von 10 Knoten auf 4 Knoten über Grund zurück. Die Kimm wurde
gegen W dunstig, und unter dem Ast-Schirm erschienen Fr-Nbst. Um 16 11 10 m peitschten die
ersten Regentropfen über die See, die beim letzten Sonnenblick noch Anlaß zu einem Regen
bogen gaben. 10 m später war der Himmel ganz mit Nbst bedeckt, und der schwache präfrontale
Regen hielt an bis 19 h 20 m , als die erste Bö einbrach mit markantem Windsprung um 8 Strich,
Druckstufe, Temperatursprung um etwa 4°C und Anstieg der Feuchtigkeit.
Das hiermit eingebrochene Rückseitenwetter begleitete uns nun
mehr bis in die Passatzone hinein. Am 20. Oktober folgte in etwa halbstündigem
Abstand ein Böenschauer dem anderen, jeder von einem Auffrischen des Windes begleitet. Aus
W liefen lange, bis 3 m hohe Dünungswellen heran, die an den folgenden Tagen entsprechend
der Wetterlage auf NW und NNW drehten. Bei Temperaturen zwischen 10 und 14° trat der
Charakter der maritimen Polarluft deutlich zutage, wie dies auch aus der Differenz der Luft
temperatur gegenüber der Wassertemperatur hervorgeht: Die Abbildung 1 zeigt, daß vom Front
durchgang am 19. Oktober an bis über die Kanarischen Inseln hinaus die Lufttemperatur stets
niedriger war als die Temperatur der Meeresoberfläche. So gewaltig und weitreichend war der
Kaltluftstrom, gleich den von H.v.Ficker 3 untersuchtenKaltluftvorstößen bis über Teneriffa hinaus.
In den ersten Morgenstunden des 21. Oktober erreichte eine neue Kaltluftstaffel den Schiffs
ort; da wir jedoch Cap Finisterre um diese Zeit bereits hinter uns hatten, machte sie sich nur
in schwachem Auffrischen des Windes und 2° Temperaturrückgang noch bemerkbar. Die Böen
schauer wurden seltener und schwächer. Mit dem Übergang vom 21. zum 22. Oktober vollzogen
wir den Übergang von der Westwindzone unserer Breiten zum Gebiet des Nordostpassats.
2. Im Nordostpassat bis zu den Kanarischen Inseln (22. bis 26. Oktober 1930).
Die Abbildung 2 zeigt das Strömungsfeld
des Windes am Morgen des 22. Oktober. Der
immer noch im Gang befindliche Kaltluftstrom
aus NW ist gegabelt. Vom Divergenzgebiet bei
Cap Finisterre aus bricht ein Teil der Kaltluft
massen — vom Kantabrischen Gebirge und den
Pyrenäen als Westwind gesteuert — über die
südfranzösische Ebene und den Golf von Lyon
hinweg in das Mittelmeergebiet hinein, wo er
bis zur ägyptischen Küste verfolgbar ist. Der
andereZweig wird von der portugiesischenKüste
nach Süden abgelenkt und geht ohne Grenze in
den NE-Passat über, der den Ostrand des relativ
weit im N liegenden Azorenhochs kennzeichnet.
Trotzdem ist der Übergang zum Passat
gebiet nachweisbar. Der rasche Anstieg der 8 *
8 H. v. Ficker, Der Vorstoß kalter Luftmassen nach Teneriffa. Abh. d. Preuß. Met. Inst., Band VIII, Nr. 5,
Berlin, 1926.
Abb. 2. Windfeld am 22. Oktober 1930, 8»
(Übergang von der Westwindzone zum Passat).