Lorenz Steiner: Die sozialwirtsdiaftl. Aufgaben u. Leistungen d. Deutsdi. öffentl. Wetterdienstes 53
Nachtrag zum Archivheft.
Im Anschluß an vorliegende Ausführungen möchte ich es nicht unterlassen, auf zwei Abhandlungen hin
zuweisen, die in den Annalen der Hydrographie und Maritimen Meteorologie, März 1932 Seite 110 bis 115
erschienen sind und die zwei wichtige Probleme, die ich in meiner Arbeit bereits angedeutet habe, eingehen
der behandeln.
In dem Aufsatz: „Weltwetter — Seewirtschaft — Weltwirtschaft“ zeigt W. Semmelhack an Hand von
statistischem Material, daß zwischen Wetter, Ernteerträgen und Seefrachten Zusammenhänge bestehen, die
von weitgehender praktischer Bedeutung sind und daß es im Interesse einer Rationalisierung der Wirtschaft
liegt, den Beziehungen nachzuspüren, die zwischen den Witterungsverhältnissen und der Produktivität eines
Wirtschaftsgebietes vorhanden sind.
Die strenge Abhängigkeit der Ernteerträge von dem Niederschlag weist der Verfasser an drei statistisch
belegten Beispielen — Weizen, Wolle und Ölpalme — nach und zeigt die Bedeutung, welche derartige Un
tersuchungen für die Weltwirtschaft besitzen.
Aufgabe des wirtschaftsmeteorologischen Dienstes ist es daher, „dem Uberseewirtschafter meteorologi
sche und klimatische Unterlagen zur Verfügung zu stellen, die er für seine künftigen Maßnahmen verwerten
kann. Der Pflanzer und Farmer, der Reeder, Kaufmann, der Fabrikant und Volkswirt — alle sind in glei
cher Weise an der Lösung dieses lebenswichtigen Problems beteiligt“. Die Frage, „ob der ungeheure Zahlen
stoff, der alltäglich funkentelegraphisch die Welt über das Wetter auf dem laufenden erhält, auch den be
rechtigten Ansprüchen der genannten Wirtschaftskreise Rechnung trägt“, beantwortet der Verfasser nega
tiv: denn: „der Inhalt der Wettertelegramme ist vom Prognostiker diktiert. Die übermittelten meteorologi
schen Beobachtungen sollen in erster Linie der Beantwortung der für die Bedürfnisse des Verkehrs und der
heimischen Wirtschaft widitigen Fragen dienen: wie wird das Wetter? Aus den Gegenwarts- und
Vergangenheitswerten will der Prognostiker das künftige Wetter ableiten, der Wirtschafter hingegen den
künftigen Ertrag“ !
„Im Weltwetter-Meldewesen klafft eine Lücke, deren Beseitigung die internationalen Tagungen baldigst
in Angriff nehmen sollten imlnteressederRegelung der gesamten Weltwirtschaf t“.
Der zweite Aufsatz „Uber angewandte Schiffsraum-Meteorologie“ von H. D. Harries behandelt das auch
in meiner Arbeit erwähnte, für Reeder und Schiffsführer sehr beachtenswerte Gutachten der Deutschen
Seewarte, das die Frage erörtert, ob ein durch hohe Luftfeuchte verursachter Warenschaden während der
Fahrt an Bord oder erst nach Löschung der Ladung infolge der Witterungsverhältnisse an Land entstanden
sei.
Die Tatsache, daß über die Temperatur und Feuchtigkeit der Schiffsluft wenig veröffentlicht wird, fin
det der Verfasser „vom Standpunkt des Geschäftsmannes aus betrachtet, durchaus natürlich, da niemend die
vielfach mit kostspieligen Fehlschlägen erkauften Erfahrungen den Konkurrenten preisgeben wird. Auf der
anderen Seite kann die Volkswirtschaft aus ihrem allgemeinen Rationalisierungsbestreben heraus mit Recht
geltend machen, daß jeder Warenschaden eine Einbuße an Volksvermögen bedeutet, daß es daher nationale
Pflicht der Beteiligten sei, ihre Messungen der Wissenschaft zur Weiterforschung zur Verfügung zu stellen“.
An Hand eines selbsterlebten Vorfalles ähnlicher Art zeigt der Verfasser, mit welchen Einwendungen
seitens des Gegners jeder Reeder, Schiffsführer, Verfrachter, Lagerverwalter usw. eventuell rechnen muß,
um so mehr, als die Allgemeinheit einschließlich der Justiz heutzutage infolge der täglichen Presse- und
Rundfunk-Wetternachrichten mit dem Wesen der meteorologischen Elemente viel vertrauter ist als in frühe
ren Zeiten und kommt zu dem Schlüsse, „daß der Praktiker die Erfahrungen des Luftphysikers, des Meteo
rologen, sich mehr zunutze machen könnte“.
„Andererseits sollte die Meteorologie ihren praktischen Anwendungsbereich, der bisher hauptsächlich in
der Richtung der für den V e r k e h r zwar wichtigen, immerhin aber etwas ungewissen Prognose liegt,
auch auf die sicherere wirtschaftliche Verwertung der realen Messungsergebnisse ausdehnen. Tau
schen beide, Praktiker und Wissenschafter, ihre Erfahrungen weitgehend mündlich aus, was jederzeit an der
Deutschen Seewarte möglich ist, so kann die Allgemeinheit einen Nutzen erzielen, ohne daß Einzelheiten
etwaiger Geschäftsgeheimnisse der öffentl ichkeit preisgegeben werden“.