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Full text: 51, 1932

Lorenz Steiner: Die sozialwirtsehaftl. Aufgaben u. Leistungen d. Deutsch, öffentl. Wetterdienstes 5 
Einleitung. 
Im Kampf ums Dasein ist jeder Einzelne, ebenso wie die Gesamtheit des Volkes, auf höchste Wirtschaft 
lichkeit angewiesen. Es gilt das Prinzip des kleinsten Mittele „handle so, daß mit gegebenen Mitteln möglichst 
viel erreicht wird“, zu möglichst breiter Anwendung zu bringen. Eines der gegebenen Mittel, das aber leider 
noch nicht Allgemeingut des deutschen Volkes geworden ist, ist die Wetterkunde und ihre praktische Verwer 
tung im Wirtschaftsleben. 
Kaum ein Berufsstand oder Wirtschaftszweig, kaum ein Mensch in seinen verschiedenen Altersstufen ist 
völlig unabhängig von den Einflüssen des Wetters; die Gunst oderUngunst derWitterung spielt im Menschen-, 
Tier- und Pflanzenleben, bei Schiffahrt, Handel, Verkehr, Landwirtschaft, Gewerbe, Luftfahrt, Gerichtswe 
sen, Sport und Erholung — kurz in der gesamten Volkswirtschaft — eine wichtige Rolle. 
Bei den gewaltigen Werten, die die Produkte der Landwirtschaft und Industrie verkörpern, bei dem 
stets wachsenden Luftverkehr und bei der ständig zunehmenden Liebe zum Sport kommt der Wetterkunde 
eine ganz besondere Bedeutung für unser Gesellschafts- undWirtschaftsleben zu. Sie gibt einem jeden dieMög- 
lichkeit, das für den jeweiligen Zweck Günstige am Wetter auszunutzen, das Ungünstige abzuschwächen. Diese 
Tatsache erfordert immer mehr den Einzug der Wetterkunde in alle Schichten des Volkes; sie muß allgemein 
für das Wirtschaftsleben nutzbar gemacht werden, damit nicht jährlich Millionen von Werten unnötigerweise 
zugrunde gehen, die schon heute durch eine bis zu 90% der Fälle mögliche Voraussicht gerettet werden können 
und damit andererseits durch Auswahl des günstigen Wetters wirtschaftlich wichtige Leistungen erleichtert und 
in ihren Ergebnissen begünstigt werden können 
Trotzdem ist in vielen Kreisen die Wetterkunde noch heute eine große Unbekannte, um die sich zu küm 
mern man nicht für nötig hält. Dies liegt zum Teil daran, daß das Publikum sich noch nicht allgemein von dem 
Aberglauben an zweifelhafte wetterkundliche Prophezeihungen oder Orakelsprüche freigemacht hat—spuken 
doch heutigentags noch die grillenhaften Prophezeihungen eines hundertjährigen Kalenders in manchen Köp 
fen —, zum Teil aber auch daran, daß gewisse Wetterschäden fatalistisch als unvermeidbar gewertet werden. 
Sicher hält nicht die Scheu vor der geringen Gebühr i ), die zur Aufrechterhaltung der geschaffenen Einrichtung 
erhoben werden muß, so manche Kreise von einer Beratung durch den „amtlichen“ Wetterdienst zurück, son 
dern vielfach nur die mangelnde Kenntnis, daß eine solche Einrichtung zur Abwendung oder Verminderung 
von Wetterschäden überhaupt besteht. Noch viel zu wenig ist es bekannt, in weide umfangreichem Maße der 
Wetterdienst der Wirtschaft dienen soll und dienen kann. Hier weiterhin aufklärend zu wirken ist Aufgabe der 
Presse und des Rundfunks und vor allem des Unterrichts in den Schulen. Pflicht des Meteorologen aber ist es, 
durch Vorträge in allen wirtschaftlichen Organisationen, die vom Wetter abhängig sind, den großen Nutzen 
einer sachkundigen Wetterberatung darzutun und dringende Pflicht eines jeden ferner ist es, sich die Errun 
genschaften einer praktischen Wissenschaft zunutze zu machen und damit sich selbst und der Gesamtheit zu 
gleich zu dienen. 
Es ist vielleicht besser, wenn einmal ein Unternehmen auf Grund einer Fehlprognose unterbleibt, als 
wenn eine Aufgabe zur Unzeit verrichtet wird, sodaß ein nichtbeachteter Witterungsumschlag ihre Ausführung 
gefährdet. 
Der in dieser Hinsicht nicht ausreichende Schulunterricht führt zu einer mangelhaften Kenntnis meteoro 
logischer Fragen. Insbesondere ist das oft unzulängliche Verständnis der Wetterkarte bedauerlich, da dadurch 
der Wetterdienst sehr an Wirkung verlieren muß und auch seine Erfolge vom Publikum falsch beurteilt wer 
den. Würden den Schülern die Schwierigkeiten und Grenzen der Wettervorhersage besser klar gmacht und 
gezeigt, inwieweit bei der Wettervorhersage das Gesetz des Zufalls herrscht, sodaß meteorologische Vorher 
sagen immer nur Wahrscheinlichkeitsrechnungen sein können, würde die künftige Generation mehr Achtung 
den wissenschaftlichen Leistungen entgegenbringen und mehr praktischen Gewinn aus einer verständnisvollen 
Verwendung der Wetterkarte ziehen. 
*) Gebührentarif vergl. Anlage 1.
	        
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