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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte. 51. Bd. Nr. 4.
Wir hatten im vorigen Teil gezeigt, daß die Flächenverzerrung längs eines Parallelkreises konstant ist. Man
braucht für jeden abstandstreuen Entwurf für ein 10°-Netz daher nur 9 Rechnungen durchzuführen, um die ge
samten Flächenverzerrungsverhältnisse des Entwurfs beurteilen zu können, und diese Rechnungen können auch
noch mit dem Rechenschieber ausgeführt werden, so daß man sehr schnell für verschiedene Entwürfe für verschie
dene n die nötigen Werte bekommen kann. In Tab. 10 sind die S = ab für den Entwurf y =
n-or-cos
•(&
<p
für ein <p 0 — 30° und ein <p a = 40° berechnet (3. Dezimale nicht ganz sicher). Man sieht daraus, daß die Flächen
änderungen bei einer Zonenbreite von ca. 55° bei q> 0 = 40° nicht mehr als 20°/ 0 betragen, während bei q> 0 — 30°
eine maximale Flächenänderung von 20% bei einer Zonenbreite von ca. 50° erreicht wird. In den äquator
nahen Teilen von cp = 0° bis cp ~ 50° erreicht die maximale Flächenänderung bei <p 0 = 40° noch nicht
15%, während bei einer Zonenbreite von etwas über 40° bei <p 0 = 30° die maximale Flächenänderung noch
nicht 10 % erreicht. Bei der Abbildung einzelner Teile der Erdoberfläche wird die Gesamtbreite im all
gemeinen 65° höchstens 70° nicht übersteigen. Die Flächenänderungen bei Anwendung einer nicht flächen
treuen Projektion bleiben also auf dem größten Teil der Karte so gering, daß sie absolut nicht störend auffallen.
Nun haben wir hier natürlich noch Freiheit in der Wahl der Meridianfunktion. Da ist es hier nun wieder so,
daß, je steiler die Meridianfunktion verläuft, desto geringer in den inneren Zonen die Winkelverzerrungen werden.
Dafür werden aber die Flächenverzerrungen größer, d. h. bei ein und demselben n und derselben Zonenbreite sind
die Flächenverzerrungen am Äquator und am begrenzenden Parallel bei einem Entwurf mit steilerer Meridian
funktion größer als bei einem Entwurf mit flacher verlaufenden Meridianfunktion. Wir haben also bei den abstands
treuen Formen je nach der Wahl der Meridianfunktion Projektionen mit geringerer Flächenverzerrung aber größerer
Winkelverzerrung und Schiefschnittigkeit und Projektionen mit größerer Flächenverzerrung dafür aber geringerer
Winkelverzerrung und Schiefschnittigkeit. Es fragt sich, worauf man größeres Gewicht legt. Jedenfalls besteht die
Tatsache, daß durch An wendung einer abstandstreuen Form das Kartenbild durch die vermittelnden Eigenschaften
dieser Netze dem Globusbild ähnlicher wird als bei einer flächentreuen Form, und darauf kommt es letzten Endes
bei vielen Karten nur an. So ist es bei den Übersichtskarten in einem Schulatlas ganz gleichgültig, ob die Flächen
in einem ganz genau richtigen Verhältnis stehen. Wenn durch die angewendete Projektion keine falschen Vor
stellungen in bezug auf die Flächenverhältnisse entstehen, und das würde ja bei unseren abstandstreuen Formen
der Fall sein, dann sind möglichst geringe Winkelverzerrungen und bestmögliche Wiedergabe der gegenseitigen
Lageverhältnisse viel wichtiger. Früher beherrschte die Mercatorkarte mit ihrer unmöglichen Wiedergabe der
Flächen das Feld. Warum soll man nun in allen Fällen gleich ins andere Extrem fallen und Flächentreue um jeden
Preis fordern ?
2. Abschnitt
Zwei praktische Beispiele
Wir haben im Verlauf unserer Untersuchung schon ein für unsere Projektionen ganz besonders geeignetes Bei
spiel behandelt, den Atlantischen Ozean mit Randmeeren. Die größte Breite des gesamten Meeresgebietes vom
Golf von Mexiko bis zur Küste von Palästina beträgt ziemlich genau 110 Großkreisgrade. Die beste Mittellinie
des Gebietes ist der Meridian 30° w r . L., so daß wir für unsere Zone östlich vom Mittelmeridian eine Breite von etwa
50°, und westlich von etwa 60° haben. Da man natürlich immer die maximale Breite annehmen muß, haben wir
es hier mit einer Zone von 2 mal 60° Breite zu tun. Da wir die ganzen Randmeere mit einbezogen haben, muß auch
das ganze Nordpolarbecken mit einbezogen werden. Im Süden muß man die Karte bis zur Küste der Antarktis,
am besten bis zum Südpol, ausdehnen. Im Norden muß also, um auch den Anschluß an die Berings-See richtig zu
zeigen, über den Pol hinaus bis 65° n. Br. abgebildet werden. Das ergäbe eine Gesamtlänge von etwa 205°. Das
Gebiet ist nahezu doppelt so lang wie breit. Zur Abbildung kommt in erster Linie eine zylindrische Form in Be
tracht, und wegen der großen Zonenbreite eine unechtzylindrische. Wegen der typischen Nord-Süd-Erstreekung
muß es ein transversaler Entwurf sein. Wie im einzelnen der Entwurf anzulegen ist, ist bei den graphischen Ver
fahren erörtert worden. Hier kommt es nur darauf an, die ganz besondere Eignung der unechtzylindrischen Formen
für dieses Gebiet festzulegen.
Das Problem der Darstellung des Atlantischen Ozeans ist nicht neu. Eingehend hat sich damit M. Groll bei der
Anlage seiner Tiefenkarten der Ozeane befassen müssen 1 ). Für den Atlantischen Ozean kamen für ihn zwei Ent
*) Groll, Tiefenkarten der Ozeane, Veröffentlichungen des Instituts für Meereskunde an der Universität Berlin. Neue Folge,
geogr.-naturw. Reihe, Heft 2.