Dr. Erich Wohlenberg: Die Grüne Insel in der Eidermündung usw.
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Eider wandert unentwegt an dieser Stelle in nordwestlicher Richtung weiter. Der Inselkörper
würde aber längst aufgezehrt worden sein, wenn nicht auf der gegenüberliegenden Seite der Insel
die Anlandung in den Anwuchswatten mit derselben Beständigkeit vor sich ginge. In ihnen liegt
der Regenerationsherd der Insel. Handiiihand mit der Abtragung und dem Zurückweichen
im Süden und Südosten geht der Anwuchs und Vorstoß im Norden und Nordwesten. Hierin
beruht der physiologische Kreislauf der Grünen Insel. Das Ziel und Ende dieses
Entwicklungszyclus aber ist vorauszusehen. Die Versandung des sogenannten Hundelochs schreitet
immer weiter fort. Vom Festland her sind die Vorlandwiesen bis an das Ufer des Priels heran
gewachsen. 1B ). Die Zeit ist abzusehen, wann das Prielbett M ) vollständig zugeschlickt ist, und
wann sich die beiden Vegetationsgebiete des Vorlandes und der Inselanwuchswatten im Priel
gelände vereinigen.
Damit aber wird der Kreislauf unterbrochen sein. Dem fortdauernden Zehrgebiet
(Außenkurve der Eider Fig. 10) steht dann kein Nähr gebiet mehr gegenüber. Es wird dann
an der Zeit sein, an einen wirksamen Schutz der Insel im Süden und Osten zu denken, wenn
nicht gutes und wertvolles Land in Gefahr geraten soll, das Bollwerk — diese Bedeutung hat die
Insel für das dahinter liegende Vorland — an das Meer wieder zu verlieren.
Das sogenannte Hundeloch führte noch vor etwa 40 Jahren soviel Wasser, daß die Krabben
jollen auf ihm hinaus zum Fischen gesegelt sind. Schon zu meiner Zeit dachte kein Fischer mehr
daran, sein Fahrzeug durch diesen Priel zu lenken.
Oestlich der Grünen Insel (Fig. 9 und 10) liegt durch den Eiderhauptstrom von dieser
getrennt eine Sandbank, die Tönninger Plate, die vom Dithmarscher Ufer durch einen
Eidernebenstrom getrennt wird. Sie ist allseitig von Wasser umgeben und ist heute bereits soweit
aufgesandet, daß sie seit den letzten 2 Jahren bei Ostwind nicht mehr ganz bei Hochwasser über
flutet wird. Nach Aussage der Fischer wandert sie nordwärts und nähert sich außerdem dem
Eiderstedter Ufer. Auffallend ist die Aehnlichkeit zwischen der Plate und der Grünen Insel in
bezug auf Form und Lage zum umgebenden Wasser. Auf Grund der im vorangegangenen mit
geteilten Untersuchungen über den Entwicklungsgang der Grünen Insel ist anzunehmen, daß die
Sandbank jenen Weg anzutreten im Begriff steht, den die Grüne Insel hinter sich gelassen hat.
Die Insel steht vor dem Abschluß, die Sandbank aber sehr wahrscheinlich am Beginn ihrer
Entwicklung. Mit ihr hat ein neuer Zyclus in der Landschaft begonnen. Was diese Annahme
weiterhin bestärkt, ist die Tatsache, daß der mit Eidernebenstrom bezeichnete Teil nach Aus
sage der Fischer von Jahr zu Jahr an Tiefe zunimmt.
Was das sogenannte Hundeloch ehemals für die Grüne Insel bedeutete, dürfte in Zukunft
der Eiderhauptstrom für die Sandbank bedeuten und die gegenwärtige Bedeutung des Eider
hauptstroms für die Insel dürfte analog später von dem heutigen Eidernebenstrom für die Sand
bank übernommen werden. Das amtliche Fahrwasser der Eider würde alsdann in den gegen
wärtigen Eidernebenstrom verlegt werden müssen (vergl. Fig. lc, 9 und 10). M ‘)
Was hier vor sich geht, ist eine ständig gerichtete Bewegung, mithin ein Wandern des
lnselkörpers. Kartenskizze Nr. 9 gibt die kontinuierliche Bewegung der Insel während der
letzten 30—40 Jahre wieder. Die Linie vor 1900 wurde auf Grund der fossilen Funde rekonstruiert,
die beiden anderen von 1911 und 1930 nach den amtlichen Vermessungen gezeichnet. Ihr nord
wärts gerichteter Lauf ist die Resultierende aus der angreifenden Außenkurve der Eider und
den vorherrschenden Winden. Der Vergleich mit dem Entwicklungsverlauf einer Wanderdüne
19) Seit 1900 sind intensive Landgewinnungsarbeiten im Gange.
20 ) Besonders seitdem der Damm durch den Priel im Herbst 1928 fertig gestellt worden ist.
2° a ) Herr DomaneniBau» und Rentmeister a D. Hinrichs, Husum teilt mir noch kurz vor Drucklegung brieflich mit, daß bald nach der Inbe'itznahme
der Insel i. J. 1900 durch ihn für den preußischen Staat, die Dithmarscher über die Eider gekommen waren, um ihre Ansprüche auf den Besitz des jungen
Eilandes geltend zu machen und zwar mit der Begründung, die Eider habe ihr Bett früher nahe unter Eiderstedt (Kating) gehabt und darum gehöre die Insel
zu Dithmarschen und nicht zu Eiderstedt.
(Diese Mitteilung ist die erste Bestätigung meiner obigen in bezug auf die Wanderung der Insel bzw, des Eiderlaufes auf rein empirischen und
theoretischen Befunden sich gründenden Darlegungen.)