Dr. Erich Wohlenberg: Die Grüne Insel in der Eidermündung usw.
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II. Die Grüne Insel unter dem Einfluß der Jahreszeiten.
Das äußere Bild der Insel steht in deutlicher Abhängigkeit zum jahreszeitlichen Rhythmus.
Zu Beginn des Winters kommen aus dem Norden gewaltige Scharen verschiedener Enten
und Strandläufer, die auf den Watten der Eidermündung während des Winters reiche Nahrung
vorfinden. (Corophium volutator stellt das Hauptkontingent der Nahrung. Vergl. Grimpe und
Wagler Lieferung XIV Seite 25.)
Nicht in jedem Winter kommt es zur Eisbildung, die überdies durch den ständigen Wechsel
von Ebbe und Flut erschwert wird. Bei längeren Kälteperioden entstehen jedoch im Gebiet der
Watten umfangreiche Eisstauungen. Die Schollen werden durch Wind und Strom übereinander-
geschoben und aufgetürmt. Die sonst gleichförmigen Watten erhalten dadurch eine ihnen ganz
fremde Oberflächenform.
Von besonderer Bedeutung wird das Watteneis für die mit Salicornia bestandenen Watten.
Nach dem Zurücktreten des Wassers bleiben die Eisschollen während der Ebbe auf den Watten
zurück und treten in enge Berührung mit dem Salicorniarasen. Die einzelnen Pflanzen frieren
an der Unterseite der Eisschollen fest und werden bei Hochwasser infolge des Auftriebs der
Schollen mitsamt ihrer buschigen Wurzel aus dem weichen Schlick herausgerissen. Auf
diese Weise kommt es, je nach den Eis- und Windverhältnissen, zu mehr oder weniger umfang
reichen Entblößungen auf den mit Salicornia bestandenen Watten. Hierin liegt für den
Entwicklungsverlauf der Landbildung ein sehr bedeutender, jahreszeitlich bedingter Faktor. Im
Frühling bestehen die Spülsäume zum großen Teil aus Salicorniapflanzen. Nach den Beobachtungen
der letzten 3 Abschmelzperioden (im März der Jahre 1929—1931) stammen diese Pflanzen von
dem winterlichen Watteneis, das dieselben beim Auftauen wieder freigegeben hat. Verfallen diese
Eisschollen infolge hoher Frühjahrswasserstände jedoch auf dem grünen Inselkörper dem Auftau-
prozeß, dann erhält das Inselplateau ein für die Jahreszeit bezeichnendes fleckenhaftes Aussehen.
Unter jeder Eisscholle gelangt beim Auftauen eine bis zu 15 mm starke Sedimentschicht zur
Ablagerung. Sie zeigt stets dieselben Umrisse wie die inzwischen geschmolzene Eisscholle und
ist oft oberflächlich mit vielen Muschelschalen (wegen der Arten vergl. Seite 10) gepflastert
und außerdem mit „freigetauten“ Salicorniapflanzen bedeckt.
Die Beschaffenheit dieser zerstreut vorkommenden Ablagerungen weist also mit Sicherheit
auf die Watten als Ursprungsgebiet hin. Erst wenn im Mai die Vegetation vorgeschritten ist.
werden diese räumlich begrenzten Ablagerungen von unten her durchwuchert und bei zunehmen
der Begrünung sind im Juni und Juli die hellgrauen Flecken mit den weißen Muschelschalen
vollständig verschwunden.
Wie alle Erscheinungen im Wattenmeer vom Rhythmus der Gezeiten getragen werden, so
findet diese Kraft auch im Aufbau des Watteneises ihren klaren Ausdruck. Die Untersuchung
des Watteneises zeigt, daß es deutlich geschichtet ist. Besonders durch horizontal gelagerte,
dunkle Zonen, die die weiße Grundmasse parallel durchziehen, wird die Schichtung erkennbar.
Diese dunklen Zonen bestehen aus Schlick, der im Rhythmus von Ebbe und Flut jeweils an der
Unterseite der Eisscholle angefroren war und bei Hochwasser mit der treibenden Scholle von
der Unterlage abgehoben wurde. Bei Hochwasser konnte sich dann eine neue Eislamelle bilden.
Diese Vorgänge wiederholen sich bei jeder Tide. Das ist der Werdegang der von der Eisscholle
beim Auftauen hinterlassenen Sedimentschicht. Sie stellt die Summe aller von der Watteisscholle
im Laufe ihres Wachstums in rhythmischer Wechsellagerung aufgenomenen erdigen Bestand
teile dar.
Im März und April rüsten die nordischen Vögel zur Abreise. Am Tage sieht und hört man
sie weit draußen auf den Watten und an den Prielrändern. Sobald aber die Dämmerung herein
bricht, kommen sie in großen Schwärmen herbeigeflogen, umkreisen die Insel und lassen sich