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Dr. Erich Wohlenberg: Die Grüne Insel in der Eidermündung usw.
keine Hohlkehle herausgewaschen. Aus diesem Grunde befindet sich auch keinerlei Saumpackung
von abgestürzten Blöcken vor dem Kliff wie bei der ersten Form. Die Abtragung geht in dieser
Zone atomar vor sich, d. h. das geschichtete Sediment wird durch das Wasser und dessen
Hauptrüstzeug, die Tongerölle, ") vollständig aufgezehrt. Körnchen für Körnchen wird aus dem
Verband gelöst und vom stark bewegten Wasser als mechanische Suspension fortgeführt. Das
terrassenförmige Profil dieses Hochwasserkliffs beruht auf der Schichtung des Materials. Fig. 3
gibt uns gleichzeitig einen Einblick in den geschichteten Aufbau der Insel. Widerstandsfähige,
etwa 1—10 inm starke, dunkle Schichten wechseln ab mit umfangreicheren 10—60 mm starken
hellen Lagen (Sturmflutschichtung vergl.S. 10 u.23/24). Die Beschaffenheit der dunklen Lagen kenn
zeichnet diese als alte Vegetationshorizonte. Ihre dunkle Färbung gegenüber dem anderen Sedi
ment beruht auf einer tonigen Beimengung und auf der dichten Durchsetzung mit den Resten der ehe
maligen Vegetationsdecke. Diese wurde einst bei einer Ucberflutung unter dem neu herbeigeschafften
Sediment begraben. Die Neuablagerungen sind stets von hellerer Farbe, weil sie in der Regel
von beigemengten organischen Bestandteilen frei sind (von ihrer späteren Durchwurzelung sei hier
abgesehen). Zum Teil ging die Vegetation unter der neuen Sedimentschicht ein, zum Teil
wucherte sic durch die neue Ablagerung von unten hindurch und bildete auf deren Oberfläche
einen neuen Pflanzenhorizont, bis auch dieser wieder überdeckt wurde. Diese rhythmische
Wechsellagerung zwischen dem Vegetationshorizont einerseits und dem neuen Sediment andrer
seits wiederholt sich fortlaufend und zwar so lange, wie der Standort der Ueberflutung ausgesetzt
ist. So ist der Aufschluß auf Abb. 3 zu erklären. Dieser rhythmische Vorgang mag an den
zonalen Zuwachs der Jahresringe unserer Bäume erinnern. Allein bei genauer Untersuchung ist
dieser Vergleich nicht vollkommen gerechtfertigt. Wenn allerdings zu erweisen wäre, daß jede
helle Schicht jährlich während des windigen Jahresabschnittes (Oktober—März, Sturmfluten)
entstanden ist und auf diese Weise je eine helle und eine dunkle Schicht ohne Unterbrechung
immer einem Jahre zuzuordnen wäre, dann ließe sich in ebenderselben Weise wie bei den Bäumen
mit ziemlicher Sicherheit das Alter des Landes bestimmen. Diese Beziehung zwischen den bei
den Schichten und einem zugehörigen Jahr kann wohl bestehen, und sie wird auch oft genug
vorhanden sein, allein nicht mit verallgemeinerter Gültigkeit. Denn nicht immer bringt der windige
Jahresabschnitt Sturmfluten, und nicht jede Sturmflut schlägt die in Suspension mitgeführten
Sedimente nieder. Außerdem kann der Niederschlag örtlich sehr begrenzt sein, oder auch nach
erfolgter Ablagerung durch eine bald folgende Ueberflutung ganz oder teilweise wieder aufgezehrt
und entführt werden. Kurz, es müssen viele Faktoren beisammen sein, wenn der oben angeführte
Vergleich berechtigt sein soll. Immerhin aber gewährt das Studium der Schichten einen Einblick
in das Wachstum der Insel und vermittelt einen ungefähren Anhalt beim Abschätzen des
Alters unserer jungen Marschböden. Die hellen, umfangreicheren Schichten sind infolge ihres
sandigen Charakters weit weniger widerstandsfähig. Sie werden daher vom abradierenden
Wasser stets zuerst aus dem Schichtgefüge herausgewaschen und bilden gewissermaßen ein
Analogon zu den sog. Katersandbänken des Hengstes auf Helgoland. So kommt es, daß die
dunklen Vegetationshorizonte wegen ihrer größeren Festigkeit erst später der Abrasion anheim
fallen und bis dahin immer das „Anstehende“ bilden, nämlich auf Abb.3 die glatten Flächen imVorder-
grund und die vorspringenden Lamellen am Kliff. Nach Eintritt der Ebbe liegt besonders vor
den Brandungsnischen eine Anzahl von Tongeröllen. Bei Hochwasser werden sie von neuem
gegen das Kliff geschleudert, wodurch die Erosionsfähigkeit des Wassers erheblich erhöht wird.
Diese beiden verschiedenartigen Typen des Hochwasserkliffs zeigen im Einzelnen eine große
Mannigfaltigkeit an Kleinformen. Hier sind im kleinen und in schnellem Ablauf alle jene Formen
in Entstehung und Verfall begriffen, die für geschichtete Steilküsten (Helgoland, Gotland, Nor-
17 ) Tongerölle bestehen aus fossilem Schlick (vergl. Trusheim Natur u. Museum Bd. 59 Heft 1 S. 77). In diesem Falle stammen sie vom erodierten
Hochwasserkliff.