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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte. — Band 50. Heft 2.
dieselbe mindestens im Bereich der die Nahrungsstoffe hereinschaffenden zweiten Antennen nicht
blau, sondern braun ist. Es bleibt also nur die Möglichkeit, daß der Krebs durch den mittels
seiner Pleopoden bewirkten Strom eine scheitelförmig gerichtete Vergrößerung und Tieferlegung
der Wohnröhre vornimmt.
Nachdem hiermit die physiologische Bedeutung der beiden Öffnungen der U-Röhre klargestellt
ist, drängt sich auch zwangsläufig die Erklärung auf für die auf Seite 14 mitgeteilte Verarmung
an Corophium unter der dichten Diatomeenbedeckung. Die beiden Oeffnungen bleiben unter ihr
nicht mehr funktionsfähig, wodurch der Wohnraum für Corophium ökologisch wertlos werden
mußte.
Auf die von Schütte (1911 41 bis 44) mitgeteilten Eigenschaften von Corophium kann hier
nicht näher eingegangen werden. Es sei nur gesagt, daß Corophium ein ausgesprochener
Detritusfresser ist. Die ziemlich schwach ausgebildeten Mundwerkzeuge dürf
ten gegen die ihm zugesprochenen Eigenschaften (nach Schütte „Räuber“, „beutelüstern“,
„zerfleischen von Nereis pelagica“) ein Veto einlegen. Auch die für Crustaceen relativ einfachen
Augen kennzeichnen Corophium nicht als „gefährlichen Räuber“.
d) Das akustische Wattphänomen.
An windstillen Sommertagen liegt über den Watten das ihnen so eigene Wattgeräusch. Es
ist seinem Klang nach schwer zu definieren. e ) Corophium ist der Urheber dieses Phänomens.
Zur Erklärung dieser für die Wattenlandschaft sehr charakteristischen Erscheinung sei der Vor
gang auf Grund von Beobachtungen mitgeteilt.
Es ist Ebbe, das Tier ist bei der Nahrungsaufnahme, befindet sich also an der Oeffnung А
der Röhre. Bevor die beiden zweiten Antennen aus der Oeffnung herausgeführt werden, verweilt
das Tier einen Augenblick unterhalb der Oberfläche. Dabei ist die Haltung des ganzen Krebses
folgende (Fig. 8,1). Der Körper hält sich senkrecht in der Röhre, die unteren Schaftglieder der
Antennen sind aufwärts gerichtet. 7 ). Das letzte Schaftglied liegt wagerecht mit dem Rand der
Oeffnung in einer Ebene und die sich spitz verjüngende Geißel ist senkrecht nach unten
gerichtet. Beide Antennen, die erst einen Augenblick nebeneinander liegen, entfernen sich langsam
voneinander. (Fig. 8,2.) Zwischen den beiden wagerecht liegenden Schaftgliedern spannt sich
dabei ein dünnes Wasserhäutchen solange, bis die Peripherie der Röhre erreicht ist. Mit diesem
Augenblick aber hat das Wasserhäutchen die höchst zulässige Dehnung erfahren. Auf dem kleinen
Meniskus spielen lebhafte Interferenzerscheinungen, und dann zerspringt er mit einem feinen
scharfen „Klick“. Das ist die Elementarerscheinung von „des Schlammes gärenden Ton“ (Theod.
Storm). Die Antennen liegen der Peripherie noch straff an, nähern sich wieder, und erst dann
werden sie nach außen geführt, um den Detritus herein zu schaffen. Immer folgt auf dieses
Zerspringen des Häutchens eine neue Nahrungsaufnahme. (Fig. 7.)
Dieses Geräusch kann sich alle 7—10 Minuten oder auch in größeren Intervallen bei jedem
Individuum wiederholen. Der Vorgang bildet, so belanglos er als Einzelfall auch erscheinen
mag, als Gesamtausdruck, getragen von der legionenhaften Zahl der Individuen, während der
Ebbe ein wichtiges Charakteristikum der Wattenlandschaft.
Nach dieser Darstellung über den Schlickkrebs Corophium volutator ist desseu Bedeutung
für das Teilgebiet der Inselschutz- und Anwuchswatten in drei verschiedenen Leistungsplänen
zuammenzufassen, nämlich:
1) in einen ökologischen (Leistung in bezug auf Anwuchs und Abbruch),
6 ) Richter, Natur und Museum, Bd. 59, Seite 299.
7) nie zweiten Antennen werden aus fünf Schaftgliedern und einer Geissel gebildet.
&) Leunis: Synopsis. Kückenthal: Handbuch der Zoologie III. Bd. I. Grimpe und Waglef: Tierwelt der Nord# und Ostsee. XIV. Lief
Amphipoden von H. Stepnensen. Faune de France, Amphipodes, Seite 364 ff. , ,