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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte. — Band 50. Heft 2.
Auch Wrage’s Ansicht (Wrage zitiert und bestätigt Richter), daß das Tier „immer draußen
umherliefe und schwämme“, bedarf der Richtigstellung. Der „dauernde“ Aufenthalt des Tieres
auf den freien Watten bleibt in den meisten Fällen auf kürzere Zeit beschränkt und endet nach
meinen Beobachtungen immer damit, daß eine andere Wohnröhre in Besitz genommen wird,
lieber den Besitz derselben entbrennt stets ein Kampf, wobei der Verteidiger unsichtbar in der
Röhre den Eindringling abzuwehren versucht. Nach wenigen Augenblicken hat das überlegene
Tier die Entscheidung herbeigeführt. Unterliegt der Inhaber der Röhre dem fremden Angreifer,
dann schießt das vertriebene Tier in hohem Bogen aus der anderen Oeffnung der Röhre her
aus und ist nun solange ohne Bau, bis es in derselben Weise einen anderen Artgenossen ver
trieben hat. ln diesen Fällen ist der Aufenthalt der Krebse auf den freien Watten, also außer
halb der Wohnröhren, unfreiwillig. (Siehe Anmerkung.)
b) Bedeutung von Corophium volutator für den Landanwuchs und -Abbruch.
Durch die U-förmigen Wohnröhren von Corophium, deren Wände mit einem schleimigen,
vom Tier ausgeschiedenen Sekret bedeckt sind, gelangt der Sauerstoff in enge Berührung mit
dem durchlöcherten Sediment. Wie bereits auf Seite 13 mitgeteilt worden ist, tritt infolgedessen
sofort eine Oxydation des Schwefeleisens ein, die in einer konkretionären Verkittung
der Sand- und Tonpartikelchen in der unmittelbaren Umgebung der Röhre ringförmig zum Aus
druck kommt. Längs- und Querbrüche durch das von Corophium durchlöcherte Sediment zeigen
deutlich die Einwirkung des Sauerstoffes. Jede Röhre ist mit einer hellgrauen, etwa 1 mm
starken Schicht umgeben. Diese Schicht, die ringförmig im Querschnitt und leistenförmig im
Längsschnitt erscheint, stellt die Oxydationszone dar. (Vergl. Fig. 6 und 7, die Strichelung gibt
schematisch die Oxydationszone wieder.) Außerhalb dieser Zone besitzt der Schlick die übliche
dunkel pigmentierte Beschaffenheit. Die Verkittung kann bei besonders dunkel pigmentiertem
Boden (reich an kolloidalem Schwefeleisen) soweit gehen, daß die Röhren gegenüber dem übrigen
Sediment eine ganz erhebliche Härte aufweisen. So fand ich in Gebieten, die in der Abtragung
begriffen waren, vom strömenden Wasser herauspräparierte Corophium-Röhren. Der die Röhren
umgebende Schlick war durch die Wasserbewegung fortgewaschen worden, die Röhren hingegen
befanden sich zum Teil noch in ihrer ursprünglichen Lage und überragten wie Säulen das aus
geräumte Substrat.
Am besten gibt der Vergleich mit Eisenbeton die Verhältnisse wieder. Die inkrustierten
Röhren von Corophium durchwirken das Sediment in gleicher Weise wie die Eisenstäbe
die Betonmase.
Auf Grund dieser Tatsachen, nämlich durch das Standfestmachen der neuen Röhre mittels
des schleimigen Sekretes und mit zunehmendem Alter bezw. infolge hohen Gehalts an kolloidalem
Schwefeleisen durch die fortschreitende Vereisenung, ist Corophiums Leistung für den Aufbau
der Watten eine einheitliche und positiv e entgegen den Ansichten Schütte’s 3 ) und
Richter’s 4 ).
Nach dem Vorangehenden fördert Corophium volutator den An
wuchs und hemmt den Abbruch.
c) Die Oberflächengestaltung durch Corophium volutator.
Die Veränderung der Wattoberfläche durch Corophium ist mit Ausnahme der perlschnur
artigen Fährten (vergl. Richter, Natur und Museum Bd. 59 Heft 1 Seite 14, Bild 8) streng an
die Wohnröhre gebunden. Ihr Wesen wird erst mit der physiologischen Bedeutung der beiden
3) Schütte Seite 41, ,,Die Meereswellen würden diesen zähen Tonboden nicht so leicht zerstören können, wenn ihnen nicht vom Corophium vor*
gearbeitet würde“.
4 ) Richter, Natur und Museum Bd. 56 Heft 10, S. 292, ,,Der Schlickkrebs hält es mit dem Mächtigen, beim Anwuchs hilft er dem Land und beim
Abbruch dem Meer“.
Anmerkung: Ferner wird die Wohnröhre während periodisch auftretender Wa n d er u n g e n vollständig aufgegeben. Über den Verlauf dieser
Wanderungen und ihre Bedeutung liegt 2ur Zeit ausreichendes Beobachtungsmaterial j noch nicht vor.