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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte. — Band 50. Heft 2.
Wie sehr der Diatomeenrasen auch den Wasserhaushalt der besiedelten Wat
ten beeinflussen kann, erweisen Beobachtungen vom Sommer 1930. Die tägliche Ueber-
flutung der Watten wurde durch eine beständige Ostwindwetterlage (ablandige Winde =
niedrige Wasserstände, vergl. Kurve Fig. 2) hintangehalten, derart, daß die Wattoberfläche
tagelang ohne Unterbrechung der Insolation und der austrocknenden Wirkung des Ostwindes
ausgesetzt war. Auf den hochgelegenen diatomeenfreien Watten zeigten sich bereits die allen
Tonböden eigenen Trockenrisse. Auch im Diatomeengebiet waren sie vorhanden, aber die Risse
beschränkten sich hier lediglich auf die Algenhaut, deren Einheit zu einem Netzwerk aufgelöst
war. Der darunter liegende, gegen Verdunstung geschützte Boden hatte noch nicht soviel
Feuchtigkeit eingebüßt, daß sich die polygonalen Trockenrisse bilden konnten.
c) Änderung der Lebensbedingungen für die Tierwelt der Watten.
Nach der Erörterung der physikalischen und chemischen Einflüsse der Diatomeenbedeckung
auf den besiedelten Boden bleibt noch zu sagen, wie die in dem betreffenden Gebiet lebenden
Tiere auf die veränderten Bedingungen reagieren. Ihr Verhalten ist eine Gesamtreaktion auf alle
erwähnten Veränderungen.
Im allgemeinen findet eine starke Verarmung der Bodenfauna statt. Das Gebiet be
herbergte z. B. während der ersten Hälfte des Jahres (1930) noch eine dichte Besiedelung des
kleinen Schlickkrebses Corophium volutator, im September dagegen waren unter der
dichten Algenschicht nahezu keine Krebse mehr zu finden. Wie weiter unten dargestellt wird,
ist die Existenz von Corophium volutator unter der sich immer wieder schließenden Diatomeen
bedeckung unmöglich. Das Tier braucht den freien Austritt aus beiden Oeffnungen seiner Wohn-
röhre.
Die beiden Wattschnecken Litorina litorea und H y d r o b i a waren ebenfalls ver
schwunden. Ob der Schwefelwasserstoff und das Eisenhydroxyd unter dem Diatomeenrasen
dafür verantwortlich zu machen sind, müßte durch spezielle Untersuchungen erwiesen werden.
Zusammenfassend kann die Bedeutung der Diatomeen für die Inselanwuchswatten nach
folgenden Gesichtspunkten geordnet werden:
a) Die olivbraune Färbung weiter Wattflächen, die Förderung der Sedimentation durch
den Rasen.
b) Die physikalischen Veränderungen: Wasserhaushalt, Trockenrisse.
c) Die chemischen Veränderungen: Luftabschluß, Eisensulfidhydrat, Schwefelwasserstoff.
d) Die ökologischen Veränderungen: Luftabschluß, Fäulnisbakterien, Verarmung der Boden
fauna.
Bezüglich der Literatur sei hingewiesen auf Nienburg. Wissenschaftliche Meeresuntersuchun
gen. 20 Bd. Abt. Kiel Heft II p. 153. Nienburg läßt den evtl. Einfluß der massenhaften Entwick
lung der Cyanophycecn-Fäden auf die Schlickablagerung im Königshafen von Sylt offen.
Ferner sei erwähnt H. Bethge u. Schiemenz. Einige Fälle von Massenentwicklung bei
Diatomeen. Ber. d. Dt. Bot. Ges. 1930 Heft 10. Hier wird berichtet von der massenhaften
Entwicklung der Diatomee Melosira Binderana im Storkower See südöstlich von Berlin. Sie
habe selbst das Fischen im See verhindert. Die Untersuchungen durch Schiemenz ergaben, daß
die normale Bodenfauna des Sees (Chironomus Larven, Tubifex, Valvata piscinalis) fast völlig
verschwunden war. Es heißt wörtlich: „Offenbar haben die riesigen absinkenden Mengen von
Melosira einen derartig heftigen Fäulnisprozeß ausgelöst, daß die genannten Tiefenbewohner fast
restlos vernichtet wurden.“
Aus den vorangegangenen Darlegungen ergibt sich, wie vielseitig die Kräfte der Mikro
organismen bereits auf den Watten, dem eigentlichen Vorstadium des festen Landes, in Erschei