Dr. Erich Wohlenberg: Die Grüne Insel in der Eidermündung usw.
9
wurde 1911 gebaut, fiel aber bald wieder den Fluten zum Opfer.) Seitdem weiden Schafe und
Gänse auf der Insel. Wenn Gefahr eintritt, können die Tiere über den Damm schneller entfernt
werden, so daß die wirtschaftliche Nutzung der Insel nunmehr ein wenig gesicherter erscheint.
Heute steht die Insel, besonders durch die Verbindung mit dem Festland, im Mittelpunkt intensiver
Landgewinnungsarbeiten, wodurch ihrer Umgebung allmählich der Charakter einer Uebergangs-
landschaft aufgeprägt wird. Durch das lange Hintanhalten wirtschaftlich orientierter Kreise blieb
jedoch der ursprüngliche Habitus der Insel bis in die Gegenwart ziemlich rein und geschlossen
erhalten.
B. Der natürliche Verlauf der Landbildung.
I. Das Wasser als Träger aller für die Landbildung erforderlichen Ausgangsstoffe.
1. Die Beziehungen zwischen Wind und Gezeiten in der Eidermündung.
Wie alle unteren Flußmündungen des Nordseegebietes ist auch das Gebiet der Eider
mündung infolge der beiden hier in Wechselwirkung tretenden Komponenten von Fluß und Meer
ein Brackwassergebiet. Der Salzgehalt des Wassers ist, wie weiter unten dargelegt
wird, eng an den Verlauf der Gezeiten gebunden und tritt in deutliche Abhängigkeit zu den
jeweils herrschenden Winden. Die genau westwärts auf die offene Nordsee zu orientierte Lage
der trichterförmigen Eidermündung ist für die Beziehungen zwischen den Gezeiten und den
Winden von ganz besonderer Bedeutung. Das Kurvenbild auf Fig. 2 zeigt die Abhängigkeit
des Wasserstandes von den Winden. *) Die Wasserstände sind den Pegelakten des Wasser
bauamtes in Tönning entnommen, deren Einsichtnahme von der Regierung in Schleswig gestattet
wurde. Auf der oberen Bezugsgeraden sind die Windrichtungen der entsprechenden Be
obachtungstage eingetragen, die rechte Bezugsgerade trägt die Höhenangaben bezogen auf
den Tönninger Pegel, dessen Nullpunkt auf — 1.913 m NN liegt. Das Kurvenbild zeigt, daß der
Einfluß der Winde für Niedrigwasser in gleicher Weise zum Ausdruck kommt wie für Hoch
wasser. Ablandige Winde (SO, O und NO) bewirken niedrige Wasserstände, Seewinde da
gegen (SW, W, NW) hohe. Die ersten veranlassen geringes Hochwasser und tief fallendes
Niedrigwasser, die zweiten hingegen hohes Hochwasser und wenig fallendes Niedrigwasser. Die
Verschiebung kann so groß werden, daß bei anhaltendem Ost wind das Wasser derart von
der Küste abgetrieben wird, daß im Eiderästuar bei dieser Wetterlage das Hochwasser nicht über
das Niveau von dem Niedrigwasser während der entgegengesetzten Wetterlage (West-, Nord
west-Winde, Sturmfluten!) hinauskommt. Diesen Fall belegen die Pegeldiagramme von 13. Ja
nuar 1930 (Sturmfluten) und vom 4. April 1930 (Ostwindwetterlage). An diesen beiden Tagen
lag der Kulminationspunkt der Tidenkurve vom 4. April in unmittelbarer Nähe des niedrigsten
Punktes der Kurve vom 13. Januar. Wie sehr das Landschaftsbild unter dem Einfluß dieser
Extreme steht, ist aus der Geschichte Nordfrieslands bekannt und auch durch die katastrophalen
Deichbrüche, die noch heute in jedem Jahre mehr oder weniger umfangreich im Gebiet der
mittleren Eider Vorkommen. Bei Hochwasser während der Sturmfluten reicht die Wasserfläche
von der einen bis zur anderen Deichkrone, und vor dem Deich ist dann kein Raum mehr für
den Menschen. Bei anhaltendem, heftigem Ostwind dagegen vermag die Flut nur noch so viel
Wasser in die Mündung zu schaffen, daß selbst die Watten nicht mehr vom Wasser bedeckt
werden. Die ökologische Bedeutung dieser Gegensätze für den Lebenshaushalt der Watten und
der Insel wird weiter unten erörtert werden.
2. Die physikalische Beschaffenheit des Wassers.
Wenn hier von der Temperatur, der Dichte und dem Gasgehalt des Wassers abgesehen
wird, obwohl diese Faktoren zweiffellos einen Einfluß auf den Verlauf der Sedimentation aus-
*) Vergl. Schulz, B. Hydrographische Untersuchungen ixn Bereiche der Flandrischen Küste. 1915—1918.