Kurt Schreiber; Analyse der Wetterlage vom 4. bis 8. Januar 1912.
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Trotj dieser Einschränkung muß die bedeutende Abkühlung auf dem Säntis, die bereits zur Mittags
zeit einsetjt, und die sich in den Nachmittagsstunden auf der Zugspitje und dem Sonnblick wiederholt, be
sondere Erwähnung finden. Zunächst erschien die Annahme eines nicht ursächlichen Zusammenhanges
beider Temperaturrückgänge für gegeben, weil die Abkühlung mit verschiedenen Windrichtungen ein
setjt. (Säntis WSW, Zugspitje NW bis N.) Da aber der tiefer liegende Rigi-Kulm die Abkühlung eben
falls mit NW erfährt und eine Abweichung der Windrichtung von der allgemeinen Windverteilung beim
Säntis schon an anderer Stelle eintrat, kann die Annahme fallen gelassen werden. Es handelt sich hier
bei offenbar um eine schwimmende Kaltluftmasse, die mit einer bestimmten vertikalen Mächtigkeit über
eine stagnierende Luftmasse hinwegströmt. König”) weist auf die Möglichkeit dieser Art Kälteein
brüche in größeren Höhen hin, die erst nach Erreichung des mechanischen Gleichgewichtes von 3,4°/100 m
zu Boden sinken. Dieser Wert wird aber zwischen Säntis und Zürich bei weitem nicht erreicht, da der
Gradient zwischen beiden Stationen nur von 0,33° auf 0,7°/100 m zunimmt. Die Ansicht Königs, daß
vor Erreichung des mechanischen Temperaturgradienten sehr lange horizontale Verschiebungen kalter
Luft über wärmere hinweg stattfinden können, wird dadurch bestätigt. Die kalte Luft dringt aus NW
vor, ohne dabei zur Kondensation Anlaß zu geben.
Ähnlichen Ursprung hat der mit NW auf der Zugspitze am 5. Januar 17 h vordringende Kaltluft
strom, der in den frühen Morgenstunden des 6. Januar auch noch bis zum Sonnblickgipfel gelangen kann.
Die Abhängigkeit beider Kälteeinbrüche zeichnet sich noch besonders durch das Verhalten der Tempe
raturgradienten zwischen Säntis und Zugspitje aus, die folgende Ergebnisse am 5. Januar liefern:
5. Januar j 8
9
10
“I
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23 h
j 0.52
0.52
0.46
0.36
0.08
-0.54
-0.12
-0.74
-1.16
-1.5
-0.62
-0.56
-0.06
0.03
0.40
0.48
Die Inversion, die von 13 bis 20 11 besteht, ist durch die Abkühlung des Säntis bewirkt und kurz nach
dem Kälteeinbruch der Zugspitje nimmt der Gradient wieder normalere Werte an.
Die Ursache des Druckfalles, der trotj des Kälteeinbruches noch auf beiden Stationen anhält, ist
sicher in Vorgängen der höheren Atmosphäre zu suchen.
Besonders augenfällig ist noch das Verhalten der Temperatur der Zugspitje und Peißenberg. Ver
mutlich handelt es sich um je eine Wogenbildung an zwei verschiedenen Grenzflächen, da die Temperatur
steigt, während die Feuchte sinkt und umgekehrt. Der Wind dreht bei der Zugspitje um 13 h von NW auf
W und frischt bei beiden Stationen von 6—8 m/sec auf über 12 m/sec. auf. Mit dieser Zunahme bildet
sich über Schwaben eine str/cu-Decke und das Talnebelmeer der Zugspitje wächst von 1500 auf 1800 m.
e) Isallothermen am 5. Januar 21 h bis 6. Januar 8 h .
Bis zum Wärmeeinbruch und Kaltluftdurchbruch der Zyklone C zeigen die Stationen in der Tempe
ratur vorwiegend reguläres Verhalten. Erwähnenswert bleibt nur die vorübergehende Föhnlage bei
Partenkirchen, Mittenwald und Peißenberg in der Nacht vom 5. bis 6. Januar, wobei die Feuchte sehr
rasch sinkt, um bald wieder mit der Passage des maskierten Kälteeinbruches MKBI zuzunehmen. Ähn
liche Föhnlage erfährt Graz.
Besondere Beachtung verdient noch in diesem Zeitabschnitt der kurz nach 21 h in Zürich erfolgte
rasche Temperaturrückgang, wobei der Wind von WSW auf WNW bei einer Abkühlung von 5,1° in ganz
kurzer Zeit dreht. Es handelt sich hierbei nur um den Durchzug eines lokal begrenzten Kaltluftkissens.
Zürich liegt am SE-Ausgange eines NW—SE verlaufenden Gebirgstales. Dieser Lage verdankt es den
Einbruch einer kalten Luftmasse, die mit dem Umspringen der Winde auf WNW aus dem Tal über
Zürich gefegt wurde, sich dann aber über den Züricher See verlief. Der kurz auffolgende maskierte Kälte