Kurt Schreiber: Analyse der Wetterlage vom 4. bis 8. Januar 1912.
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Wenn auch die Frontmerkmale bei den nördlich verlaufenden Böen KBJ und KBJI um 19 h stellen
weise etwas undeutlidb geworden sind (vielfach lückenhaftes Beobachtungsnetj), so genügen die mit diesen
herantransportierten Kaltluftmassen, um den Temperaturunterschied zwischen Kalt und Warm und damit
die potentielle Energie der gesamten Kaltluft so zu vergrößern, um einen weiteren Kältevorstoß herbei
zuführen.
Die Front OB, die wir auf S. 22 auf der Linie Danzig—Swinemünde—Rostock—Kiel am 6. Januar 8 h
als quasi-stationär erkannten, hat ihre Kaltluftmassenbis zur Linie Bi—Warschau—Potsdam—B 2 gebracht.
Hier kommt die Front am 6. Januar 19 11 zum Stillstand.
Schälen wir zur besseren Übersicht aus der Terminkarte des 6. Januar 19 h das Stromlinienbild heraus
(Karte 15, Tafel 2), so ergibt sich naturgemäß dort eine Konvergenzlinie, wo auf der Wetterkarte die
Front OB + KB 2 verläuft. Außerdem genügt die Konvergenz als singuläre Linie der notwendigen
Bedingung 14 ).
Von Bremen, d. h. von B 2 ab ostwärts fehlt der Warmluft jede Bewegungskomponente nach N,
während der Kaltluftstrom immer noch eine kleine Bewegungskomponente nach S hat, die sich bekanntlich
in der Südwärtsverlagerung der Kaltluft äußerte. Der parallele Stromlinien verlauf weist auf ein Vorbei
gleiten beider Luftkörper hin, weshalb zunächst auch der Vorstoß der Kaltluft zum Stehen kommt.
Die in der Gegend von Hamburg auf tretende Einknickung der Front findet dort statt, wo noch ein
kleiner Rest von B 2 in Form einer geschlossenen 735 mm Isobare vorhanden ist. Der westliche Teil der
Konvergenz gibt also KB 2 wieder, die den holländischen Stationen die kleine Abkühlung brachte. Daß
diese Front nur wenig Bewegung nach S haben konnte, geht auch aus dem Parallelismus der Ostwinde
zum Frontenverlauf hervor.
Besonders interessant ist das Verhalten der Temperaturen von Hügel und Münster, wobei Münster
im Kalten verbleibt, während die Warmluft bis über Hügel vordringt (vgl. Karten 9 und 10, Tafel 1).
Die Thermogramme zeigen, daß Münster die Abkühlung am Frühnachmittag, Hügel ungefähr zur selben
Zeit die Erwärmung durch C erfährt. (Vgl. Fig. 5. Die Entfernung Hügel - Münster beträgt ungefähr 60 km.)
Fig. 5.
Ähnlich steht es mit den Stationen Jena und Erfurt, die beide hart an der Grenze der quasi
stationären Front OB liegen. Sie tauchen nur ganz vorübergehend in den Warmluftkörper ein, um dann
bald von der Kaltluft überflutet zu werden (Fig. 5). Dasselbe gilt von Habelschwerdt, Zillerthal, Landeck,
Krumhübel, während die Schneekoppe noch ganz im Warmen steckt. (Abb. 2, Tafel 5, und „Frontal
zone“, S. 27 ff.)
An der allgemeinen Ostverlagerung von 14—19 h hat auch der Warmluftkörper von C teilgenommen.
Der Abstand WCI—WCII ist kleiner geworden, worauf schon auf S. 20 hingewiesen wurde. Damit sind
beide Aufgleitregenzonen zu einem Gebiet verschmolzen und bilden so im Zusammenhänge mit dem
Einbruchregen von KB 2 I und KB 2 II ein etliche 100 km tiefes Niederschlagsgebiet.