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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte. — 49. EM. Nr. 8.
deuteten, seit dem 10. durch mehrere Aufstiege nachgewiesenen Nordströmung über Island mit der
auffallenden Vertiefung der Depression von 755 auf 735 mm innerhalb von 2 Tagen ergibt sich mit
aller Deutlichkeit. Sogar der zeitliche Abstand der Phänomene fügt sich in diese Vorstellung gut ein.
Für die Luftbewegung der Schichten 5—10 km können wir einen mittleren Wert von 50 km/h ansetzen,
für die Entfernung des Tiefs von Island 1400 km. Für diese Strecke würden also 28 h benötigt. Tatsäch
lich beginnt die Regeneration der Depression bereits in der Nacht vom 10. zum 11. August, wie aus der
Verstärkung der Winde der Rückseite zu ersehen ist, also mit der Ankunft von hohen Luftmassen, die
Island am Abend des 9. verlassen haben. Man vergleiche nun hiermit die oben bereits angeführten
wörtlich dem Tagebuch entnommenen Notizen über die Witterungserscheinungen am 9. August abends!
(Seite 27).
Wie später bei der Besprechung eines Sturmes an der grönländischen Ostküste (S. 36) näher aus
geführt werden wird, besteht lediglich darin eine noch erhebliche Schwierigkeit, daß die das Tief mit
Energie speisende Nordströmung weder nach den Bodenwerten der Temperatur, noch aus statischen
Rücksichten als polare Kaltluft im üblichen Sinne aufgefaßt werden kann. Wir sind genötigt, in der
Höhe ein sehr erhebliches Druckgefälle von Island zum mittleren Atlantik anzunehmen, das jedenfalls
in der Bodenwetterkarte nicht zu erkennen ist und eindeutig nur folgende Möglichkeiten der vertikalen
Temperaturschichtung zuläßt:
Island —
Mittlerer Atlantik
Mitteltemperatur der Troposphäre
normal
kalt
Mitteltemperatur der Troposphäre
warm
normal
Mitteltemperatur der Troposphäre
warm
kalt
Montag, 13. August 1928. BZ = MEZ — 2 h .
Um 7 Uhr MIZ (9 Uhr MEZ) läuft „Meteor“ zu der Grönlandreise von Reykjavik aus. Das Wetter
ist, ebenso wie in der vergangenen Nacht, klar, nur im E und S (Reykjanes) lagern str und einzelne cu.
Der Reykjavik im N gegenüberliegende 800 m hohe Basaltklotz der Esja ist ausnahmsweise völlig
wolkenfrei. Die Sicht ist hervorragend gut; der Snaefells-Jökull (1439 m) ist klar zu sehen, eine dünne
walzenförmige cu-Bank liegt dicht unterhalb der Spitze. Auch die im Verlauf der nächsten Stunden
ausgeführten Strahlungsmessungen zeigen das fast völlige Fehlen von Himmelsbedeckung. Ein Pilot
aufstieg bis 16 km um 7 h MEZ zeigt in den untersten Schichten schwachen E (vermutlich den letzten
Rest von Landwind) und Stille, über 1500 m bis hinauf zu 8000 m eine mäßige, aber sehr gleichmäßige
Nordströmung. Diese setzt unvermutet zwischen 8 und 11 km aus und macht in dieser Schicht einer
lebhaften SW-Strömung Platz. Oberhalb von 12 km bis zur Platzhöhe des Ballons in 16 km ist die
N-Strömung wiederhergestellt — ein interessantes Beispiel für die blättrige Struktur der Atmosphäre!
Die Nordströmung selbst wird zwanglos in Verbindung gebracht mit dem Aufstieg am 10., der ober
halb 2500 schwachen, über 8—16 km sehr starken Nordwind zeigte. Es soll hier vorweggenommen
werden, daß die weiteren Aufstiege um 13 und 18 11 MEZ (11 und 16 h BZ, vgl. die Wegekarte auf Tafel 10)
bis 8 km hinauf die lebhafte Nordströmung dartun.
Die Bodenwindrichtung in diesem Abschnitt während des Passierens von Snaefellsnes (der vom
Snaefells-Jökull gekrönten Halbinsel) ergab eine Beeinflussung der Windrichtung durch diesen monu
mentalen Berg, der mit Andeutung seiner Hinderniswolke in Bild 17 (Taf. 5) im Lichtbild dargestellt ist. In
Abb. 8 sind die Windbeobachtungen der Brücke eingetragen. Sie zeigen, daß in etwa 20 km Abstand
von dem 1439 m hohen erloschenen Vulkan die der Höhenströmung entsprechenden NNE-Winde nach
NW bis WNW drehen unter gleichzeitiger Zunahme um 1 Stärkegrad. Nach Passieren des Berges
wird die allgemeine Stromrichtung sofort nahezu wiederhergestellt. Diese Beeinflussung durch einen
Berg deckt sich mit früheren Beobachtungen aus N-Island während einer meteorologischen Forschungs