Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte. — 49.15d. Mr. 3.
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Am 6. August wurde zu Fischereischutz ausgelaufen, wegen aufkommenden Sturmes aber schon
am Nachmittag in der Bucht Sandvik bei Leuchtturm Reykjanes bis 7. abends geankert. Am 8. ergab
sich für die Teilnehmer die Möglichkeit, auf den Vestmannaeyar, südlich von Island, an Land zu gehen.
Hierbei konnte die dortige wichtige Beobachtungsstation besucht werden. Wegen der häufigen Kurs
änderungen während des Fischereischutzes mußten die Pilotaufstiege eingeschränkt werden, dagegen
wurden sehr interessante Wolkenbeobachtungen gewonnen.
Während des 11. und 12. lag „Meteor“ zum Kohlen in Reykjavik; es wurden noch verschiedene
Materialien für die Grönland-Reise beschafft und Apparate geeicht. Die isländische Regierung ver
anstaltete für das Offizierkorps des „Meteor“, des dänischen Fischereikreuzers „Fylla“ und einige Mit
glieder der wissenschaftlichen Expedition einen sehr lehrreichen Ausflug nach der Südküste (ülfusau,
Kistufoss).
Am Montag, 13. August, 7 Uhr MIZ, lief „Meteor“ zu der wissenschaftlichen Fahrt in die grönländi
schen Gewässer aus. Auf diesem Teil der Reise war außer einer verstärkten meteorologischen Tätigkeit
auch das Aussetzen von Flaschenposten, die Entnahme von Wasserproben und die häufigere Messung
der Temperatur der obersten Wasserschicht vorgesehen und wurde planmäßig durchgeführt. Vor allem
versprach das Passieren der ausgeprägten Grenze des ostgrönländischen Kaltwasserkörpers die Mög
lichkeit, die Beeinflussung der Lufttemperatur vom Wasser her und die etwaige Nebelbildung zu
studieren.
Nach der neuesten Darstellung der Salzgehalts-Verteilung in der Dänemarkstraße 1 ) wurde damit
gerechnet, auf dem von Reykjavik aus gesteuerten NW-Kurs die Kaltwassergrenze bei etwa 29° W.L.,
nach der durchschnittlichen Fahrt des Schiffes am 14. August etwa 14 TJhr MIZ zu erreichen. Der Über
gang sollte durch eine enge Folge von Messungen der Lufttemperatur (mit dem Aspirations-Psychro
meter) und der Wassertemperatur im einzelnen verfolgt werden. Die Beobachtung der Wassertempera
turen bis zum 13. August, 23 Uhr, hatte noch mit 11.5° die hohe Temperatur des Golfstromwassers er
geben, die Temperaturabnahme in den letzten 6 Stunden betrug 0.9°, von der ein Teil auf die Entferung
von der Küste zu rechnen sein dürfte.
Da wurde am 14., 2 Uhr, von der Brücke ein Eisberg im Abstand von 4 sm gesichtet. Daß es sich
nicht um einen zufällig in das warme Wasser vertriebenen Eisberg handelte, ergab die Kurve des
Wasserthermographen, die bereits 1.45 Uhr einen ganz gewaltigen Sprung nach unten zeigte. Während
die Messung mit Schöpfthermometer an der Wasserberfläche um 1 Uhr 10.3° ergab, wurde um 2 Uhr
nur mehr 1.8° gemessen! Sofort wurden die laufenden Messungen der Luft- und Wasser temperatur in
Gang gebracht und um 2.30 Uhr im Einvernehmen mit der Schiffsleitung das Schiff auf entgegenge
setzten Kurs gelegt, um nach Möglichkeit den Schnitt zu wiederholen. Bereits um 3 Uhr war wieder
mit 9.5° das warme Wasser erreicht, 4 Uhr wurde 10.3° gemessen und deshalb wieder auf NW-Kurs
gegangen. Zum dritten Mal wurde zwischen 5 und 6 Uhr die Grenze passiert, und nachdem um 7 Uhr
noch einmal eine offenbar nur schmale und wenige Meter dicke Einsprengung warmen Wassers mit
10° passiert war, befanden wir uns endgültig im kalten Ostgrönlandstrom.
Seit 14 Uhr wurden Treibeisschollen passiert, 15.40 Uhr wurde die Treibeisgrenze in etwa 80 sml
Abstand von der grönländischen Ostküste erreicht. Es wird beschlossen, zunächst südwestwärts parallel
zur Küste zu laufen und am folgenden Tag erneut einen Vorstoß zur Küste zu versuchen. Dieser Plan
kann verwirklicht werden, und am nächsten Vormittag kommt bei ruhigem Wetter mit schwachem N die
Ostküste Grönlands, und zwar die Gegend des Ingol fsf jell nördlich Angmagsalik in Sicht. Wir begegnen
zahlreichen Eisbergen, teils Spitzen, teils Tafelformen Auch hier wird versucht, ebenso wie tags zuvor im
Treibeis, die Temperatur Schichtung in nächster Nähe der Wasserfläche und die Temperaturabnahme bei
Annäherung an Eisschollen und -Berge vom Boot aus durch Psychrometermessungen festzustellen. Die
meisten Eisberge zeigen noch ausgeprägte Bruchflächen und scharfe Kanten, ein Beweis für geringes
Alter und Herkunft von der Nordostktiste. In der Nähe der Wasseroberfläche ist allgemein eine Ab-
J ) Schott, G.: Die Verteilung d. Salzgeh. im Oberflächenwasser usw„ Ann. d. Hydr. 1928, H. 5, Karte S. 149.