J. Georgi
F. Ahlgrirum — W. Stöbe: Forschungsreise „Meteor“ nach Island—Grönland 1928.
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I. Einleitung.
Lange Zeit sind die subarktischen Gebiete in der meteorologischen und klimatischen Forschung
vernachlässigt worden. Die ersten serologischen Messungen Hergesell s 1 2 ) seit 1906 im Spitzbergen-
Meer und die auf de Quervain’ s'"> Anregung 1909 und 1912/13 auf Island ausgeführten Pilotwind-
messungen hatten zur Genüge gezeigt, daß die tatsächlichen Temperatur- und Strömungsverhältnisse
der freien Atmosphäre in diesem Gebiete weit abwichen von dem Zustand, den man auf Grund der
früheren Vorstellungen vom atmosphärischen Gesamtkreislauf erwarten mußte. Zu dem gleichen End
ergebnis führten auch die Überlegungen von W. II. H o b b s 3 ), der seit 1910 wiederholt auf die über
ragende Bedeutung des grönländischen Kontinentes für den Wärmehaushalt und die mittleren Luft
strömungen des Polargebietes hinwies und dessen Schlüsse in dieser Hinsicht von de Quervain aus
drücklich gebilligt wurden (1. c. p. 376).
Es ist nun eingetreten, was zu erwarten war: anstelle eines einfachen Irrtums hat sich eine kom
plizierte Wahrheit ergeben, und der wesentliche Teil der großen Zirkulation, der sich in der Rück
führung der Luftmassen des Westwindgebietes zu den Subtropen auswirkt, ist noch heute dunkel 4 ).
Schon in den Sommern 1926 und 1927 habe ich versucht, durch hohe Pilotwindmessungen auf NW-
Island einen Beitrag zu dieser Frage zu liefern. Die dabei gefundenen hohen Polarluftausbrüche 5 )
haben dazu geführt, die Mitwirkung echter polarer Kaltluft bei der Zyklonenbildung südlich von Island-
Grönland überhaupt in Frage zu stellen. Die Forschungsreise mit „Meteor“, deren Entstehung und
Durchführung der folgende Abschnitt darstellt, bot neben den flugmeteorologischen und nachrichten
technischen Aufgaben die Möglichkeit, diese vorläufigen wissenschaftlichen Ergebnisse weiter auszu
bauen. Parallel mit dieser Arbeit, die vorwiegend im Abschnitt V enthalten ist, läuft z. Zt. noch mit
Unterstützung der Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft eine klimatische Bearbeitung der
Höhenwinde über Island.
Der beabsichtigten möglichst vollständigen Bearbeitung des reichhaltigen Beobachtungsmaterials
stellten sich ernste Schwierigkeiten entgegen, die teils in der starken dienstlichen Beanspruchung
aller Reiseteilnehmer, teils in meiner Teilnahme an der von A. Wegener mit Unterstützung der
Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft beabsichtigten Grönland-Expedition lagen, die bereits am
27. d. M. in See gehen ward. Um unser Zahlenmaterial möglichst rasch der Allgemeinheit zugänglich zu
machen, schien Verzicht auf diese Vollständigkeit und auch auf die eingehendere Durcharbeitung zahl
reicher Einzelfragen doch das kleinere Übel gegenüber einer vielleicht jahrelangen Verzögerung zu sein.
Als Verfasser der Abschnitte II, III, V, VI und VII, der besonders unter den erwähnten Schwierig
keiten zu leiden hatte, erfülle ich gern die angenehme Pflicht, außer den im nächsten Abschnitt ge
nannten Stellen auch den an der Arbeit durch eigene Beiträge beteiligten Expeditionskameraden, sowie
meinen treuen Helfern Frl. A. Meckermann und Herrn W, Bethge meinen Dank auszusprechen.
Hamburg-Großborstel, am 24. März 1929. J. G e o r g i.
‘) Beitr. z. Pliys. d. fr, Atm,, Bd. II 1906/08, ebenda Bd. VI 1914.
2 ) Ebenda, Bd. V 1913; Ergebn. d. Schweiz. Grönl.-Exp. 1912/13 nsw.
3 ) Hobbs, W. H.: The glacial anticyclones, 1926.
4 ) Georgi, J.: Aerologie der hohen Breiten und Große Zirkulation. „Arktis“, 1928, H. 3/4.
6 ) Derselbe: Ergehn, v. Pilotaufst. i. Geb. v. Island. Z. f. Geophysik, Jg. 4, H. 7/8.