G. Baumann: Strömungseinfluß des mitteldeutschen Gebirgsrandes und seine Bedeutung für die Flugmeteorologie dieses Gebietes 43
desheim. Gewöhnlich wird Hannover von der Front nicht berührt und im allgemeinen nördlich derselben
bleiben, während Hildesheim und Braunschweig fast regelmäßig von dieser Front betroffen werden. Es haben
dem Verfasser etwa 20 Gewitterkarten dieser Art Vorgelegen — erwähnt seien nur die Wetterlagen von 12.
Juni 1928, 22. Juli 1927, 10. August 1927, 23. Juni 1927, 28. Juni 1927, 9. Juni 1927, 1. Juli 1927 und 7. Sep
tember 1927 — aus allen ergab sich auf der Strecke Essen—Hildesheim eine durchschnittliche Zuggeschwin
digkeit von 60 bis 70 km pro Stunde. Die Windstärken der Berge (Kahler Asten und Brocken) betrugen in
diesen Fällen durchweg nur 35 bis 40 km pro Stunde. Offenbar folgten die Gewitterzüge
der beschleunigten „Randströmun g“. Die entsprechenden Beschleunigungsfelder in der Ge
schwindigkeitsverteilung der Südwest- und Westwinde (s. Kart. 1 und 2) stellen demnach die .Zugstraße
dieser Gewitter dar. Den oben angegebenen Gewitterkarten wurde außerdem entnommen, daß die Zugge
schwindigkeit nordwestlich des Harzes die größten Werte erreicht. Man ersieht hieraus also, daß sowohl
Zugrichtung als auch Zuggeschwindigkeit der Gewitter von dem Gebirgsrand stark beeinflußt werden.
Bei der Bearbeitung dieser Gewitterkarten konnte beiläufig die Beobachtung gemacht werden, daß mit
noch größerer Häufigkeit ein zweiter Gewitterzug im Gebiet der unteren Ems entspringt und dem des Ge
birgsrandes parallel laufend, in Richtung Bremen—Hamburg ostwärts vorstößt. In den meisten Fällen
wendet sich dieser Gewitterzug vor der Elbe südosiwärts und verbleibt südlich des Stromes. Dieser und der
am Gebirgsrand verlaufende Gewitterzug stoßen dann oftmals auf der Linie Wittenberge—Magdeburg
aufeinander und verursachen in dieser Gegend schwere Gewittertätigkeit. Es ist dadurch die Strecke Han
nover—Berlin außerordentlich gefährdet, da ein Ausweichen in irgendeiner Richtung dann nicht möglich ist.
Zwischen diesen beiden Gewitterzügen liegt eine Zone — zu der auch Hannover gehört —, die in solchen
Fällen von Gewittern verschont bleibt.
Die Entstehungsursache der südlichen Gewitterzugstraße mag durch den Mittelgebirgsrand hinreichend
geklärt sein; vielleicht steht die nördliche in engem Zusammenhänge mit der von v. Schubert 2 ) gefun
denen Reibungskonvergenz des Küstengebietes.
Gewitter, die am Gebirgsrand entstehen und sich in die Ebene ausbreiten, sind im allgemeinen auf eine
Windströmung zurückzuführen, die mit senkrechter Komponente den Gebirgsrand trifft. Herrscht in der
Atmosphäre ein nahezu indifferentes oder labiles Gleichgewicht, so wird eine geringe Auftriebskraft genü
gen, eine Gewitterbildung herbeizuführen. Am 12. Juni 1928 wurde auf diese Weise eine Gewitterfront
längs des Gebirgsrandes von Bramsche bis Goslar erzeugt. Fast gleichzeitig liefen mehrere Gewittermel
dungen von Stationen des Gebirgsrandes ein. Um Wärmegewitter, die bekanntlich vorzugsweise an Ge-
birgshängen auftreten, konnte es sich in diesem Falle nicht gehandelt haben, da die Temperaturen bei
15 Grad C. lagen und gleichmäßig verteilt waren, außerdem der Himmel im ganzen nordwestlichen Deutsch
land fast bedeckt war.
An manchen Stellen des Gebirgsrandes erfolgt das Aufstrudeln der Luft besonders intensiv; es entstehen
daraus die sogenannten „Gewitterherde“. Als solche Gewitterzentren sind der Westhang des Sauerlandes
und vor allem der Nordwesthang des Harzes bekannt. Der Gewitterherd bei Seesen tritt sehr oft in Er
scheinung, auch wenn sonst keinerlei Gewittermeldungen vorliegen. Als Beispiele wurden die Wetterlagen
vom 22. August 1928, vom 28. August 1928, 17. November 1928 und 6. Juli 1929 betrachtet. Besonders
westliche Winde sind für die Entstehung von Gewittern günstig, also Winde, die direkt gegen den Steil
hang des Harzes wehen. Aus den Beispielen gehn ferner hervor, daß im allgemeinen ziemlich starke Winde
erforderlich sind; in keinem der Fälle aber kam lokale Erwärmung in Frage, denn der Himmel war immer
vorwiegend bedeckt. In allen Wetterlagen meldet der Brocken Westwind, Stärke 6 bis 7 Beaufort. Die
von Seesen ausgehenden Gewitter zogen meist nordostwärts und folgten dem bekannten Kurse über Braun
schweig.
Da der Gebirgsrand Wesergebirge—Harz von Westnordwest nach Ostsüdost streicht, sind auch östliche
Winde der Stauwirkung unterworfen. Die Strömungskarten, sowie einige Einzelwetterlagen haben bereits
den Beweis erbracht. In welch bedeutendem Maße östliche Winde als Auftriebskraft an der Gewittcrent-
stehung beteiligt sein können, zeigt eine Wetterlage vom 23. Mai 1929: In allen Schichten sind die Winde
ziemlich kräftig, am Boden beträgt die Geschwindigkeit etwa 30 km pro Stunde. Um 14 Uhr entsteht bei
Seesen ein Gewitter, das längere Zeit am Gebirgsrand festgehalten wird, schließlich aber nordwestwärts