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Full text: 49, 1930/1931

G. Baumann: Strömlingseinfluß des mitteldeutschen Gebirgsrandes und seine Bedeutung iür die Flugmeteorologie dieses Gebietes 
Verfasser hat ähnlidhes selbst erlebt auf einem Fluge Hannover—Frankfurt in der Möwe D 1404, Flug 
zeugführer Bohner. Die Windrichtung war Nordost, die Windgeschwindigkeit betrug 6 bis 8 msk. Beim 
Überfliegen des Gebirgsrandes (Deister, Kammhöhe 350 m) wurde die Maschine in 1300 m Höhe plötzlich 
um etwa 100 m gehoben. Diese Vertikalböe trat ganz unerwartet über dem Deisterkamm auf, während 
sonst keine Luftunruhe zu bemerken war. Auch in diesem Falle äußerte sich der kräftige Aufwind bis in 
fünffache Höhe des eigentlichen Hindernisses. Der sonst vollkommen „ruhige“ Flug zwischen 1300 und 
1500 m Höhe war wohl eine Folge davon, daß der Flug außerhalb der Brandungszone durchgeführt wurde. 
Sehr auffallend war, daß trotz Überquerens mehrerer Höhenzüge auf der ganzen Strecke Hannover—Frank 
furt nur die eine kräftige Steigböe am Deister, also am Gebirgsrand, beobachtet wurde. Demnach kommt 
dem Gebirgsrand in bezug auf Aufwinde erhöhte Bedeutung zu. Vielleicht ist entscheidend dafür das An 
wachsen der Brandungszone am Gebirgsrande. Über dem Mittelgebirge selbst wird die Brandungszone kon 
stante Höhe haben, da die Bodenreibung größenordnungsmäßig die gleiche bleibt. Eine wesentliche 
Höhendifferenz der Obergrenze der Brandungszone kann aber nur im Ubergangsgebiet vom Flach 
land zum Bergland auftreten. Damit verbunden ist eine Hebung der laminaren Strömung nach Art der 
Potentialströmung oberhalb der Brandungszone. Die auf diese Weise entstehende Vertikalkomponente 
könnte der Anlaß der einmaligen Böe im oben geschilderten Beispiel gewesen sein. In der Annahme, 
daß ein am Gebirgsrand gebildeter Niveau-Unterschied der Brandungszone von größerem Einfluß auf die 
Strömung sei, möchte man von einer „virtuellen Höhe“ des Gebirgsrandes sprechen, ähnlich der vir 
tuellen Reibung, wobei auch die Turbulenz berücksichtigt ist. 
Innerhalb der Brandungszone sind die Vertikalbewegungen naturgemäß wesentlich stärker und un 
regelmäßiger. Nach Möglichkeit werden diese turbulenten Zonen von Fliegern gemieden, doch oftmals zwingt 
eine tiefe Wolkendecke zu niedrigem Fluge. Hierüber liegen nun einige sehr interessante Berichte von 
Flugzeugführern vor, die die außergewöhnliche Böigkeit am Gebirgsrande schildern. Aus seiner jahrelangen 
Erfahrung auf der Strecke Berlin—Köln wußte Flugzeugführer Rotschinka von zwei Hauptzentren 
der Böigkeit zu berichten, die einer dreimotorigen Junkers G 24 schon fast zum Verhängnis geworden wäre. 
Als diese Hauptzentren der Böigkeit stellten sich der Nordwesthang des Harzes bei Seesen und die 
Umgebung des Ith heraus. Rotschinka führte mehrere Fälle an, in denen die Maschine den Winden 
vollkommen ausgeliefert war: Starke Winde nördlicher Komponente bei geschlossener Wolkendecke, die nur 
einen Raum von etwa 100 bis 200 m zum Uberfliegen der Gebirgskämme frei läßt, also den Piloten zwingen, 
die turbulenteste Schicht auszuwählen, waren am gefahrvollsten. 
Neben den üblichen Stauerscheinungen bezeichnete Rotschinka diese beiden Böigkeitszentren als die 
größten Gefahrenmomente der ihm bei allen Wetterlagen gut bekannten Strecke Berlin—Köln. 
Die Erfahrungen, die auf den von Hannover nach dem Süden führenden Strecken gesammelt wurden, 
decken sich vollkommen damit. Allgemein bekannt ist die Tatsache, daß auf dem mittleren Teil der Strecke 
Hannover—Kassel im allgemeinen die stärksten Winde angetroffen werden. Flugzeugführer Schnee 
hage hat auf dem Fluge Kassel—Hannover des öfteren erlebt, daß in der Breite Karlshafen—Hameln 
wesentlich stärkere Winde herrschten als nördlich und südlich dieser Zone. Diese lokale Windzunahme ist 
sicher allein auf die am Gebirgsrand auftretende Beschleunigung infolge des Zusammendrängens der Strom 
linien zurückzuführen, die sich auch in den Karten der Geschwindigkeitsverteilung gerade für dieses Ge 
biet hat feststellen lassen. Die mit der Windzunahme erhöhte Böigkeit erreicht oftmals derartige Ausmaße, 
daß ein Überqueren des Gebirgsrandes unmöglich ist, selbst wenn sonst im allgemeinen Flugmöglichkeit be 
steht. Verfasser erinnert sich mehrerer Fälle des Herbstes 1929, wo Maschinen (Type Möwe und Junkers 
F 13) bei stürmischen Winden den Flug über das Gebirge antraten, aber wegen übermäßiger Böigkeit in der 
Gegend des Ith zur Rückkehr gezwungen wurden. 
Übrigens ist sehr interessant, daß auch in diesem Zusammenhänge die Umgebung des Ith und der West 
hang des Harzes, deren markante Strömungsbeeinflussung bereits aus den Strömungskarten erkannt wurde, 
besonders hervorzuheben sind. 
Aus diesen Beispielen geht hervor, welch großen Einfluß der Gebirgsrand auf Vertikalbe 
wegungen ausübt, sei es nun, daß bei nördlichen Winden die Strömung beim Auftreffen auf das Ge 
birge gehoben und infolge der vergrößerten Reibung stark turbulent wird oder bei westlichen und östlichen
	        
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