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Full text: 49, 1930/1931

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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte. — 49. Bd. Nr. 9 
6. Aufwinde und Böigkeit am Mittelgebirgsrand. 
Vertikalbewegungen, wie sie durch Luv- und Leewirbel hervorgerufen werden, sind bereits erwähnt 
worden. 
Bis vor wenigen Jahren war über Intensität und Mächtigkeit der Aufwinde wenig bekannt. Gelegent 
lich einiger Ballonfahrten wurden Hangwindstudien betrieben, desgleichen an Hinderniswolken und Auf 
heiterungszonen. Erhebliche Fortschritte brachten in jüngster Zeit die Segelflugforschung und die Fliegerei 
überhaupt. Was die Methode der Wolkenbeobachtung angeht, so ist gerade der Mittelgebirgsrand außer 
ordentlich reich an Beispielen. Es hat sich gezeigt, daß die wolkenauflösende Wirkung absinkender Luft 
(Lee) sich nidit auf die niedrigen Wolken beschränkt, sondern häufig bis in das Alto-Stratus-Niveau herauf 
reicht. Die leeseitige „Abtrocknung“ der Str-Cu-Schicht ist zeitweise bis zur Aller zu verfolgen, dagegen 
sind Aufheiterungszonen und lent-Formen der Alto-Stratus-Schicht nur dicht hinter dem Gebirgsrand zu 
beobachten, allenfalls bis in die Breite von Hannover reichend. Diese Leezonen sind fast regelmäßig dann 
vorhanden, wenn an der Vorderseite einer herannahenden atlantischen Depression kräftige südliche Winde 
wehen und eine hohe Aufgleitbewölkung Westdeutschland überzieht. Danach bedingt der etwa 400 m hohe 
Gebirgsrand selbst in 4000 m Höhe noch merkliche Stromlinienkrümmungen. 
Von größerer Bedeutung für die Fliegerei sind die Vertikalströme der unteren Luftschichten, die natur 
gemäß von ganz anderer Größenordnung sind und oftmals an starke Böigkeit grenzende Beschleunigungen 
annehmen. Dabei ist nicht gedacht an die Böigkeit innerhalb der Turbulenzzone, sondern an das plötz 
liche Gehobenwerden der Maschine in dem am Gebirgsrand auf steigenden Luftstrom (R eibungs- 
a u f w i n d). In den meisten Fällen wird es so sein, daß sich Turbulenz der unteren Luftschichten und Auf 
wind überlagern. Die Geländeunterschiede des Berglandes bewirken eine sehr viel größere vertikale Ausdeh 
nung der Turbulenz, so daß deren Obergrenze weit höher liegt als die der Turbulenz über der Ebene. Diese 
Höhendifferenz der Turbulenzobergrenzen wird im allgemeinen beträchtlich größer sein als der Niveau 
unterschied zwischen Flachland und Gebirgsrand selbst. Daraus läßt sich vielleicht die Krümmung der 
Stromlinien bis ins 4000 m-Niveau erklären. 
Eine vortreffliche Aufwindbeobachtung wurde von dem Flugzeugführer Dau am 6. Juni 1928 mit 
einer Focke-Wulf-Maschine auf der Strecke Hannover-Osnabrück gemacht. Die Flugstrecke Hannover— 
Osnabrück kreuzt das Wiehen-Gebirge, das nach Norden außerordentlich steil abfällt und eine schmale 
langgestreckte Form besitzt. An dem betreffenden Tage herrschten in Westdeutschland nordwestliche 
Winde mittlerer Stärke. Ein Höhenwind von Bremen ergab folgende "Werte: 
300 m joo m 1000 m 2000 m 
NW 14 NW 22 NW 14 NW 30. 
Dau, dessen Maschine unter gewöhnlichen Verhältnissen nur bis auf 800 bis 1000 m Höhe zu bringen war, 
geriet beim Überqueren des Wiehen-Gebirges (Kammhöhe 300 m) in starken Aufwind, der die Maschine trotz 
„Drückens“ in die sonst für sie phantastische Höhe von 1800 m hob, und beobachtete dabei starke Böigkeit 
bis in 1200 m Höhe, wo sich einzelne Turbulenz-Cumuli befanden. Darüber war die Strömung turbulenz 
frei. Außerdem stellte Dau fest, daß der Aufwind des Wiehen-Gebirges etwa 4 km nördlich des Kammes 
bis in 900 m Höhe merkbar war. Die Verhältnisse waren, kurz zusammengefaßt, folgende: Mittlere Wind 
stärke unterhalb 1000 m: Nordwest j msk., Höhe des Gebirgskammes: 300 m, Hebung der Maschine bis 
auf 1800 m, starke Böigkeit bis in 1200 m Höhe. Das heißt also, daß ein 300 m hoher Gebirgskamm bei 
einer nahezu senkrecht auftreffenden Luftströmung von etwa 5 msk. bis in seine sechsfache Höhe ein derar 
tig kräftiges Aufsteigen der Luft bewirkt, daß selbst Flugzeuge mitgerissen werden. Wahrscheinlich kommt 
gerade in diesem Falle der Turbulenzzone, die den Gebirgsrücken wulstartig umschließt und mit diesem zu 
sammen ein wesentlich größeres Hindernis darstellt, eine bedeutende Rolle zu. 
Am 28. August 1929 zeigte sich ein fast ebenso kräftiger Aufwind an demselben Gebirgsabschnitt, aller 
dings bei südwestlichen Winden, 7 bis 8 msk: Flugzeugführer Helm überflog mit der frachtbeladenen 
D 1017, Typ F 24, von Osnabrück kommend, in Richtung Hannover das Wiehen-Gebirge. Dabei wurde 
die Maschine beim Überqueren des Kammes plötzlich von 800 m auf 1200 m gehoben; auch durch „Drücken“ 
der Maschine war dem aufsteigenden Luftstrom nicht entgegen zu wirken.
	        
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