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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte. — 49. Bd. Nr. 9
änderung eingetretene Wanderung der Beschleunigungs- und Verzögerungsfelder. Am Rothaar-Gebirge,
am Harz, wie am Thüringer Wald erkennt man diese Veränderungen auf den ersten Blick. Das große
Verzögerungsfeld der Südwestwetterlage im Raume Hannover—Braun schweig—-Magdeburg ist hier bis auf
einen kleinen Teil nordöstlich des Harzes abgebaut, während das Staugebiet am Südharz vollkommen ver
schwunden und durch ein Beschleunigungsfeld ersetzt ist. Die Strömung hat jetzt eine Richtung angenom
men, für die der Harz seinen geringsten Widerstand besitzt. Es tritt daher eine Gabelung der Strömung
ein, wodurch die Stromlinien zusammengedrängt und die großen Beschleunigungen nördlich und südlich
des Harzes hervorgerufen werden.
Genau dasselbe beobachten wir am Rothaar-Gebirge. Zwar bleibt das bei Südwestwinden dem Sauer
land vorgelagerte Staugebiet noch erhalten, jedenfalls im Bereich Köln—Essen, doch ist eine merkliche Ver
änderung der Lage der Beschleunigungsfelder vor sich gegangen. Die Luftmassen entweichen nun nicht mehr
ausschließlich nach Norden, sondern es hat auch hier eine Teilung des Luftstromes stattgefunden, die ein
beiderseitiges Umfließen des Rothaar-Gebirges bedingt.
In Lee des Rothaar-Gebirges hat sich wenig geändert, nur ist die Leezone stark zusammengeschrumpft
infolge des Herumgreifens der beiden Stromzweige.
Ähnlichen Verhältnissen begegnet man am Thüringer Wald. Das Beschleunigungsfeld ist nicht mehr
auf den nordwestlichen Teil des Thüringer Waldes beschränkt, sondern hat sich dem Nordrand angelehnt
und weiter ostwärts ausgebreitet, was in bester Übereinstimmung steht mit der Tatsache, daß ebenso wie am
Harz und Rothaar-Gebirge bei westlichen Winden das Umströmen überwiegt.
Die Beschleunigung am Erzgebirge bleibt natürlich erhalten, da auch für westliche Winde das Zusam
mendrängen der Stromlinien ganz beträchtlich ist. In dem Gebiet aber, wo Thüringer Wald und Erzge
birge aneinandergrenzen und die Streichrichtungen der Gebirgskämme zueinander senkrecht sind, erleidet die
Strömung eine merkliche Bremsung, die mit dem bereits nachgewiesenen Knick im Stromlinienfeld zusam
menfällt. Es scheinen demnach die schwachen Winde nicht wie bei der Südwestwetterlage ausschließlich
dem Lee-Einfluß des Thüringer Waldes zugeschrieben werden zu dürfen, sondern durch eine Stauwirkung
am Erzgebirge hervorgerufen zu sein.
Der Vergleich der Geschwindigkeitsverteilung bei Südwest- und Westwinden hat gezeigt, wie sich Be
schleunigungs- und Verzögerungsfelder den Gebirgshindernissen zuordnen lassen und welch enger Zusam
menhang zwischen jenen und der Windrichtung besteht.
3. N o r d w e s t w e 11 e r 1 a g e
(s. Karte 3).
Die Nordwestwetterlage reiht sich bezüglich der Verteilung der Beschleunigungs- und Verzögerungs
felder sehr gut an die Westwetterlage an. Am wenigsten hat sich im Gebiet der Kölner Tieflandbucht ge
ändert. Das Staugebiet des Sauerlandes hat eher an Ausdehnung gewonnen als verloren, im großen ganzen
aber seine Lage beibehalten. Bemerkenswert ist, daß Aachen bei nordwestlichen Winden innerhalb der Stau
zone der Eifel liegt, während bei westlichen Winden hier infolge Verengung des Stromquerschnittes eine
Beschleunigung vorhanden war. Das Staugebiet der rheinischen Gebirge ist im Süden begrenzt durch die
Linie Siegen—Leverkusen—München-Gladbach. Südlich derselben wachsen die Windgeschwindigkeiten wie
der an, denn die Luftmassen werden infolge des Staudruckes und der trichterförmigen Verengung des Rhein
tales mit großer Geschwindigkeit in das breite Lahntal abgedrängt.
Ähnliche Ursachen haben die Beschleunigungen zwischen Rothaar-Gebirge und Harz und nördlich des
Harzes. Das in der Strömungskarte erkennbare Einbiegen der Stromlinien nach Süden kurz hinter dem
Harz kommt in der Geschwindigkeitsverteilung noch besser zum Ausdruck, östlich dieses „Beschleunigungs-
Kanales“, dessen Begrenzung die Elbe-Saale-Linie bildet, ist die ungestörte Strömung mit normalen Wind
stärken wieder hergestellt. Weiter südlich aber erfolgt dann vollkommene Abriegelung durch den Thürin
ger Wald und das Erzgebirge: Ein ausgedehntes Staugebiet ist diesem Gebirgsriegel vorgelagert. Die nörd
liche Begrenzung bildet die bekannte Konvergenz-Divergenz-Linie, was wiederum für diese ein eindeutiger
Beleg ist.