G. Baumann: Strömungseinfluß des mitteldeutschen Gebirgsrandes und seine Bedeutung für die Flugmeteorologie dieses Gebietes
Man hat hiernach zwischen zwei Arten von Beschleunigungen zu unterscheiden, einmal erfolgt der Ge
schwindigkeitszuwachs auf Grund von Düsenwirkung, zum anderen durch Umsetzung potentieller in kine
tische Energie. Dem gegenüber stehen zwei Arten von Verzögerungen, deren eine ebenfalls mit Vertikalbe
wegung verbunden ist (Stau), während die andere das Gegenstück jener Beschleunigung darstellt, die durch
Verengung des Strömungsquerschnittes hervorgerufen wird, also durch Auseinandertreten von Stromlinien
hinter einer Querschnitts Verengung. Im folgenden seien mit Beschleunigungen und Verzögerungen
erster Ordnung solche bezeichnet, die zum größten Teil aus Veränderungen des horizontalen
Stromfeldes (Düsenwirkung) sich ergeben, mit Beschleunigung und Verzögerungen zweiter Ordnung
solche, die mit vertikalen Luftbewegungen (Stauwirkung) verknüpft sind.
Zusammenfassend kann gesagt werden, daß Beschleunigungen und Verzögerungen erster Ordnung
Begleiterscheinungen einer dreidimensionalen Strömungsform, insbesondere des Umströmens, sind, während
Beschleunigungen und Verzögerungen zweiter Ordnung in erster Linie an zweidimensionale Strömungs
vorgänge gebunden sind.
Besondere Beachtung muß dem Verzögerungsfeld geschenkt werden, das vom Teutoburger Wald,
Wiehen-Gebirge und Wesergebirge umrahmt, teilweise allerdings dem Teutoburger Wald im Westen als
Staugebiet vorgelagert ist.
Ebenfalls nördlich des Gebirgsrandes befindet sich ein Gebiet schwacher Luftbewegung als Leezone.
Hannover, Braunschweig, Magdeburg und selbst ein großer Teil des ostelbischen Gebietes liegen in deren Be
reich. Die nördliche Begrenzung dieser Zone fällt annähernd mit der Linie Aller—Plauer Kanal—Havel
zusammen. Die größte Verzögerung erleidet die Strömung in der Umgebung von Quedlinburg, was wahr
scheinlich eine Folge der gelegentlich dort auftretenden Leewirbel ist(s. unter C). Immerhin
ist es erstaunlich, ein wie großes, aber eindeutig festgelegtes Gebiet dem Lee-Einfluß des Mittelgebirgs-
randes unterliegt.
Die Luftmassen zwischen Rothaar-Gebirge und Harz sind an der Strömung kaum beteiligt. Man möchte
von einer stagnierenden Luftmasse sprechen, die von der darüber und seitlich fließenden Luft nur langsam
fortbewegt wird. Lee-Einfluß des Rothaar-Gebirges und Stau am Harz gehen nahezu ineinander über.
Begünstigt wird das Vorhandensein dieses fast ruhenden Luftkörpers dadurch, daß bei dieser Windrich
tung (Südwest) der Raum zwischen Rothaar-Gebirge und Harz vor der allgemeinen Strömung ziemlich ge
schützt liegt. Zu beiden Seiten dieses Gebietes muß infolgedessen erhöhte Geschwindigkeit anzutreffen sein.
Auf das Beschlcunigungsfcld im Norden längs der Linie Dortmund—Seesen wurde bereits hingewiesen. Im
Süden treten Beschleunigungen auf an den Gebirgsrändern des Rothaar-Gebirges, Kellerwaldes und des Har
zes einerseits, an den Rändern des Vogelberges, der Rhön und des Thüringer Waldes andererseits. Auf diese
Weise entsteht das langgestreckte Beschleunigungsfeld, dessen Achse etwa der Linie Gießen—Eisenach—Eis
leben—Wittenberg entspricht. Der Thüringer Wald, der sich in seiner ganzen Länge der Südwest-Strö
mung entgegenstellt, wirkt naturgemäß stark vermindernd auf die Windgeschwindigkeit. Große Ver
zögerungen erhält man daher westlich des Gebirgsrückens infolge des Staues, östlich desselben infolge des
Lee-Einflusses. Dem in Richtung der Strömung streichenden Erzgebirge entspricht ein Beschleunigungsfeld
im Chemnitzer Bezirk.
2. Westwetterlage
(s. Karte 2).
Beim Übergang der Südwest- zur Westwetterlage bemerkt man eine sehr auffallende Verlagerung
der Beschleunigungs- und Vcrzögerungsfelder. Bei südwestlichen Winden herrschten die größten Geschwin
digkeiten an den Nordwest- bzw. Südosthängen der Gebirge, während die Verzögerungen entsprechend auf
die Luv- (Südwest) und Leeseite (Nordost) der Gebirge verteilt waren.
Im Gegensatz dazu findet man bei Westwinden die maximalen Geschwindigkeiten vorherrschend an den
Nord- und Südrändern der Gebirge, wobei die Verzögerungsfelder eine ähnliche Bewegung im Drehsinne
des Uhrzeigers mitmachen, jedoch wesentlich zusammenschrumpfen, da die Hindernisströmung sich nunmehr
der dreidimensionalen Form nähert. Ein Vergleich der Karten 1 und 2 bestätigt die mit der Windrichtungs