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Ans dem Archiv der Deutschen Seewarte. — 49. Bel. Nr. ”,
Die vertikale Windgeschwindigkeits Verteilung ist für jede Meßstelle charakteristisch (s. Tafel 9). An
der Luvkante z. B. hat die vertikale Gesell wind igkeits Verteilung keine Aehnliehkeit mehr mit der
normalen Geschwindigkeitsverteilung über einer ebenen Fläche. Schon in ganz geringer Höhe
herrscht ein hoher Betrag der Windgeschwindigkeit, der von 40 cm auf 160 ein nur noch wenig zu
nimmt, um von dort aus bis 375 cm konstant zu bleiben oder sogar wieder etwas abzunehmen. An
der Luvkante ist die Verteilung der Geschwindigkeiten nicht mehr durch die Reibungsverhältnisse,
sondern durch die dynamischen Druck Verhältnisse um ein vStrömungshindernis bestimmt.
Auch auf der Leeseite herrschen besondere Verhältnisse. Dort treten noch die Trägheitskräfte
innerhalb der stark beschlennigten Strömung in Erscheinung; sie bewirken, daß die Strömung von
dem Hindernis abreißt und als freier Strahl über das Hindernis hinwegschießt. Aus der Darstellung
der Meßreihe Nr. 5 der ersten Meßserie (s. Tafel 9) ergibt sieh sehr deutlich die Abhängigkeit der
vertikalen Geschwindigkeitsverteilung an der Leekante des Dammes von der Geschwindigkeit eines
senkrecht hinüberstreiehenden Windes. Bis zu 4 m/sec Geschwindigkeit an dem Luvanemometer in
i.60 in Höhe herrscht auf der Leeseite eine fast normale Windgeschwindigkeitsverteilung, von 4.2
m/sec ab macht sich das Abreißen der Strömung bemerkbar, das bei 5.5 m/sec Luvgeschwindigkeit
in den unteren Schichten an der geringen Geschwindigkeit zu erkennen ist. Die Windrichtung war
bisweilen bei dem Leeanemometer in 1.60 m genau entgegengesetzt der allgemeinen Strömungsrichtung,
die auch noch bei dem Leeanemometer in 3.75 m vorhanden war. Auf der Dammoberseite liegt also
ein vollständiger Lateralwirbel. Bei den Meßungen der dritten Meßserie tritt diese Lee-Erscheinung
nicht in dem eben gezeigten Maße auf, da der Wind leider immer unter einem Winkel von ca. 45°
zum Damm stand.
Ein Bild der Linien gleicher Geschwindigkeit um den oberen Dammteil bei verschiedener An-
strömimgsgeschwindigkeit geben die Darstellungen auf Tafel 9.
Die Frage, wie stark die Vergrößerung der Strömungsgeschwindigkeit an der Luvkante des Dam
mes ist, kann durch die Messungen an der Hochbrücke geklärt werden. Vergleicht man die Messun
gen an der Hochbrücke mit denen entsprechender Wetterlage und Tageszeit von Iv ö p p e n **) an den
Eilveser Funktürmen, dann findet sich eine sehr gute Uebereinstimnumg der vertikalen Winclver-
teilung (s. Tafel 9). Die Reibungsverhältnisse des ungestörten Geländes bei dem Damm ähneln also
denen bei Filvese. Demnach besteht die Möglichkeit, die Werte der Messungen auf der Wiese vor
dem Damm unter der Berücksichtigung der Werte von Eilvese bis zu cl e r Höhe zu extrapolieren, in
der die Messungen auf dem Hindernis gemacht sind, um den Geschwindigkeitsunterschied durch einen
entsprechenden Vergleich abschätzen zu können. Nach den Messungen am 23. Juni (s. Tafel 9) gegen
18 Uhr ist die Windgeschwindigkeit an der Luvkante des dort nur 14 m hohen Dammes 50 his 60 Pro
zent höher als in dergleichen Höhe im ungestörten Feld! Die Windgeschwindigkeit auf der Wiese war
zu der betreffenden Zeit in 5.75 m 4.1 m/sec. Die Größenordnung der Geschwindigkeitserhöhung an
der Luvkante dürfte wohl durch diesen Vergleich richtig getroffen sein.
Es wäre sehr erwünscht, daß die genannten Messungen systematisch weiter durchgeführt würden,
da sie mit einfachen Mitteln gute Erfolge versprechen. Es sind grundsätzlich neue Aufschlüsse zu
erwarten, wenn die Abhängigkeit des Stromfeldes von der vertikalen Temperaturverteilung unter
sucht wird.
Außer diesen Messungen an dem Eisenbahndamm, die wegen der großen Entfernung von Ham
burg und wegen der Zufälligkeit des Wetters bei gelegentlichen Reisen mit den nötigen Hilfsmann
schaften nicht weiter durchgeführt werden konnten, ist noch eine kleine Meßreihe an dem Elbufer an
gestellt worden. Unterhalb von Schulau befindet sich ein Liegehafen, hei dem ein Damm von 2 m
Höhe ungefähr 150 m in die Elbe hinausgeht. Am Ende dieses Dammes wurde in einer Höhe von
1.55 m die Windgeschwindigkeit gemessen und gleichzeitig 30 m landeinwärts in der gleichen Höhe auf
demselben Damm. Die Ergebnisse der Messung sind in der Tabelle unter Meßserie 2 zu finden. Bei
dieser Messung strich der nordwestliche Wind gerade in Richtung des Stromes, so daß ein Vergleich
der Windgeschwindigkeiten über Wasser und Land in der gleichen Höhe erfolgen konnte. Die Wind
geschwindigkeit auf dem Außendamm war durchschnittlich 45 bis 50 Prozent höher als hei dem Ane
mometer an dem Ufer. Dieser große Unterschied ist aber nur zum Teil auf die verschiedene Rei
bung über Wasser und Land zurückzuführen, da noch berücksichtigt werden muß, daß das Vorgelände
bei dem Landanemometer etwas (c-a. J4 m) höher lag als der Wasserspiegel der Elbe.