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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte. —- 49. B<1. Nr. 7.
gleichartigen Form eine charakteristische Verschiedenheit der einzelnen Windstärken. Be
sonders die Windstärkegruppe 6—7 fällt aus dein Rahmen der übrigen heraus, teils in bezug auf
die Größe des Differenzbetrages, teils in bezug des Ganges der Windstärkedifferenzen mit der Wind
richtung. Bei ihr macht sich deutlich bemerkbar, daß die Schätzung der hohen Windstärken mit einer
zunehmenden Unsicherheit behaftet ist. Nach der in dem ersten Teil angeführten Beobachtung
W. Peppier ‘s über die Wirkung einer geringen Bodenerhebung auf die stärkeren Winde ist fer
ner noch zu entnehmen, duß die Strömung durch ein Hindernis vom Boden abgehoben wird und daß
sich dadurch eine Beobachtungsstelle bei starken Winden noch in dem Störungsbereich des Hinder
nisses befinden kann, in dem sie bei schwachen Winden nicht mehr liegen würde. Dafür spricht, daß
bei der Windstärkegruppe 6—7 in vielen Fällen ein auffallend größerer negativer Differenzbetrag
festgestellt wird als bei den übrigen Windstärkegruppen. In der normalen Beobachtungshöhe scheint
also der Betrag einer hohen Windstärke noch nicht richtig erfaßbar zu sein. Dies würde besagen, daß
das allgemeine Gesetz der Windgeschwindigkeitszunahme mit der Höhe Vj =v^h' ! für hohe Windge
schwindigkeiten in einem unvollkommen ebenen Gelände nicht mehr erfüllt ist. Wegen der meist un
bekannten Ueber- und Unterschätzung des Windes ist aber nach Koppen der Absolutwert der Dif
ferenzen für solche Schlüsse nicht beweiskräftig. Die sprunghafte Aenderung der Windstärkeschät
zung zwischen den mittleren und hohen Stärkegraden kann ebensogut auf einer Unstetigkeit in der
Schätzung als in der Strömung beruhen. Daher kann nur durch besondere Messungen der vertikalen
Windgeschwindigkeitsverteilung das vermutete Ergebnis der Windstärkeschätzungen geprüft werden.
Die Windstärkegruppen 4—5 und 5—6 zeigen am ausgeprägtesten den Gang mit der Windrich
tung, während die Windstärkegruppe 3-—4 wieder mehr unbestimmte Abweichungen aufweist. Auch
bei den geringen Windstärken machen sich allgemein unregelmäßige Abweichungen in der Strö
mung bemerkbar, da sich bei den schwächeren Winden die thermische Einwirkung der Wasser- und
der Erdoberfläche stärker auswirkt.
Im folgenden sollen kurz die Einzelheiten der Differenzenkurven bei den Beobachtungsstellen be
handelt werden. Bei der Diskussion empfiehlt es sich aber, die Stationen Nord deich, Neuhar
lingersiel, Friedrichsschleuse und Sch illighörn (Tafel 1) gesondert von den übri
gen Beobachtungsstellen zu behandeln, da sich bei ihnen kein eindeutiger oder nur ein sehr geringer
Gang der Windstärke mit der Windrichtung ergibt. Dies erklärt sich durch die besondere orographisehe
Lage, die bei den genannten Stationen im wesentlichen überall gleich ist. Bei Norddeich erstreckt sich die
Küste von SW nach NE, im Westen und Norden liegen die ausgedehnten Watten bis Juist und Norderney
und im Süden und Osten befindet sich vollständig flaches Land in ganz geringer Höhe, das nur von
Deichen durchzogen ist. Fast die gleiche Lage haben Neuharlingersiel und Friedrichsschleuse, nur
verläuft dort die Küstenlinie in der Richtung: West-Ost. Schillighörn liegt an der NE-Ecke von
Oldenburg am Eingang zu der großen Bucht der Außenjade und Außen weser an sehr exponierter
Stelle. Das vollständig flache Land im SW hat fast die gleiche Höhe wie die Watten und das Wasser
in den anderen Richtungen. Bei all diesen Stationen sind die einzigen Bodenerhebungen die durch
schnittlich 6 m hohen Deiche und die Siedlungen. Die Siedlungen sind aber so weitläufig gebaut,
daß sie keine geschlossene Wirkung auf die Luftströmung ausüben.
Unter der berechtigten Annahme, daß die Windbeobachtungen auf dem Kamm der Deiche ange
stellt werden, ist als Beobachtungshöhe 6—8 m anzusetzen. Da sich keine wesentlichen Unter
schiede in der Windstärke bei auf- und ablandigen Winden zeigen, muß man folgern, daß in dieser
Höhe cler Einfluß der unterschiedlichen Reibung über Wasser und Land auf die Luftbewegung nur
noch so gering ist, daß er sich mit Windschätzungen nicht mehr erfassen läßt. Ob dieser geringe
Gang in den Differenzenkurven bei auf- und ablandigen Winden durch die große Beobachtungs
höhe zu erklären ist oder ob er in dem geringen Reibungsunterschied zwischen Wasser und flachem
Land begründet ist, kann mit diesen Beobachtungen nicht entschieden werden.
b. Nordseeküstenstationen:
Bei allen übrigen Küstenstationen befinden sich geringe Bodenerhebungen in Gestalt von Dünen
oder Siedlungen, so daß sich dort der Einfluß der Bodenerhebungen auf die Luftströmungen dem
Einfluß von Wasser und Land überlagert. Im folgenden werden einzeln die Differenzenkurven der