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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte. 49. Bd. Nr. 5.
Drittens: Nicht restlos überzeugt die Erklärung der wechselnden Eis- und Erdschichten.
Eine Reihe von Eis- und Erdschichten kann sich im Sinne Holmsens nur gebildet haben, wenn die
Sonnenwärme und damit auch die Auftautiefe beständig abgenommen haben. Diese Verschlechterung
des Klimas mußte entsprechend der Schichtenfolge nun nicht regelmäßig sondern in Sprüngen er
folgen. Wie ja nach seiner Ansicht eine Erdlage einen plötzlichen Wechsel des Klimas anzeigt, eine
Eisschicht sich aber nur bei lang andauernden gleichen Temperaturen hat ausbilden können. Sobald
wir nun Eis- und Erdlagen antreffen, die an Dicke beständig nach oben hin abnehmen, können sie
nur durch Klimaperioden erklärt werden, die sich in beschleunigtem Maße verkürzten.
Es fragt sich aber, ob in der Meteorologie für jüngst vergangene Zeiten ständig kühler werdende
Perioden von plötzlichem Wechsel und langer Dauer, die zum Teil noch regelmäßig an Länge ab-
nahmen, bekannt sind.
Aus der Arbeit von Hohnsen geht hervor, daß er nie auf die Begrenzung der Eisvorkommen ge
achtet hat. Er fand Eis hier und dort in Gräben, Spalten, angeschnittenen Bänken, beim Graben
und schloß daraus, daß die gesamten Niederungen in der Coles Bay von ± dicken horizontalen
Eislagen unterlegen wären.
Da Hohnsen aber außerdem noch meldet, daß das Tal in Polygonfelder, durch Gräben in
Blöcke von 12—20 m im Durchmesser zerlegt ist, die klares Eis enthalten, ist es nicht ausgeschlossen,
daß hier Spalteneis vorliegt. Zum Beweise müßten die Abgrenzungen in den Eislagern festgestellt
werden.
v. Drygalski vertritt die Anschauung, daß sich die Neusibirischen Bodeneismassen und die der
Eschscholtz-Bay aus Aufeismassen gebildet haben. Sicher ist. daß sich durch die Zudeckung von
Aufeis in Sibirien und Alaska viel Bodeneis ansammelt. Aber ob die oben genannten Vorkommen
auf diese Art entstanden sind, ist zweifelhaft; denn wie sollten die breiten, das Eis vertikal durch
setzenden Erdmassen sich in einer Naledj abgesetzt haben?
Schlußwort.
Bei der Besprechung der einzelnen Theorien hat sich gezeigt, daß den meisten der Unterbau eines
exakten Beobachtungsmaterials fehlt. Immer wieder hat sich herausgestellt, daß die Beobachtungen
noch nicht zu Erklärungen ausreichen; deshalb wurden manche Ansichten als reine Hypothesen an
gesprochen.
Auf Grund dieser Untersuchung bin ich zu der Ueberzeugung gelangt, daß das meiste Bodeneis
durch Zudeckung von Aufeis und in Spalten geschaffen wird. Alle anderen beobachteten Entstehungs
arten stellen nur unbedeutende Bildungsmöglichkeiten dar.
Eine Unterscheidung der verschiedenen Bodeneisvorkommen nach ihrer Entstehung ist bei künfti
gen Untersuchungen nur möglich, wenn die Lage der Eismassen und ihrer Umgegend ein
gehend untersucht werden. Ferner müssen einige Fragen durch Beobachtungen grundsätzlich ge
klärt werden, ehe eine Lösung des Bodeneisproblems zu erwarten ist:
1) Es müssen genaue physikalische Untersuchungen über die Struktur des Eises in den Spalten
angestellt werden. Wie verhalten sich an Luft reicher Schnee und Schmelzwasser beim Kristal
lisieren in den Spalten? Erhalten wir Inseln von körnigem Eis inmitten von Wassereis, oder
findet eine Vermischung statt? Was für ein Aussehen erhält solches Eis?
2) Wann bildet sich körniges Eis in den Spalten?
3) Läßt sich eine Anordnung der Luftbläschen in bestimmter Richtung feststellen? Ermöglicht
diese ein Unterscheidungsmerkmal gegenüber Gletschereis?
4) Wie geht das Wachstum des Eises in den Spalten vor sich?
5) Treten Veränderungen in der Struktur des Eises durch Hinzufügen von neuem Material auf?
6) Treten Veränderungen in der Struktur des Eises bei schon lange begrabenen Vorkommen
auf?