Dr. Grctel Satow : Das Bodeneis in der Arktis. Tatsachen und Hypothesen. 37
Ueberhaupt ist die Schneenatur des Beresowka-Eises in Frage gestellt (wie Maddren ausführt), da
Tolmatschew zu dieser Annahme allein auf Grund des Luftreichtums kam.
Bodeneis kann also aus Schneewehen entstehen, wahrscheinlich werden solche Eismassen nur
beschränkten Umfang besitzen. Die Annahme, daß das Neusibirische Bodeneis aus Schneewehen sich
gebildet hatte, ist Theorie.
Die IV. Gruppe läßt das Bodeneis durch Zuwachsen von Seen entstehen. Gegen die Annahme
einer solchen Bildungsart hat Leffingwell, der die Verhältnisse in der Tundra sehr genau kennt, Ein
spruch erhoben.
Nach seinen Beobachtungen wächst das Moos, genau wie in unseren Breiten, nicht auf die offene
Wasserfläche hinaus. Entweder stieß man au den Küsten auf einen „solid wall“, d. h. das Moos
wuchs bis zum Rande des Wassers, oder der Rand und die Inseln im See wurden durch vom Grunde
aufwachsende Pflanzen wie Riedgras und andere Gräser gebildet. Diese sterben ab, häufen sich auf
dem Boden an und bilden so allmählich die Grundlage für andere Pflanzen, d. h. Hand in Hand mit
der Verlandung dringt nur die Pflanzenwelt vor. Nach Leffingwells Ansicht kann sich Bodeneis
nur in diesen Zwischenräumen von zersetzter Vegetation entwickeln. Aber diese Eismassen würden
sehr viel erdige Beimengungen enthalten.
Damit scheidet die Bildung von reinen klaren Eisschichten durch Begrabung von Seen für die
Natur als theoretische Annahme aus.
V. Gruppe: Tyr eil versucht in seiner Theorie sowohl die horizontalen wie vertikalen Eis
massen zu erklären.
Es lassen sich aber gegen seine Anschauungen allerhand Einwände machen. Unter undurchlässi
gen Schichten ist das Quellwasser, nach seiner Ansicht, da ihm der Austritt blockiert ist, imstande,
in Schwächezonen erweiternd einzudringen. Bei diesem V organg würde aber der gefrorene Boden
emporgehoben werden und dadurch diese Schicht schwächen und auch zerbrechen, so daß das Wasser
entströmen kann. Es fragt sich aber, ob das Wasser überhaupt seitwärts eindringt und nicht statt
dessen, nachdem es sich unter der Frostschicht gestaut hat, diese an der sonstigen Austrittsstelle
durchbricht. Jedenfalls bleiben die Deckschichten nicht ungestört, wie die Aufwölbungen über un
terirdischen Quellaustritten in Sibirien beweisen (vergleiche Schostakowitsch). Nach der Schilderung
der Vorkommen könnte man nach Vergleich der Skizzen bei Leffingwell hier auf Frostspalten schlie
ßen. in die von oben im Sommer Schmelzwasser eindrang, das dann gefror.
VI. Gruppe: Beichers Annahme, daß herniedersickerndes Bodenwasser bei der Berührung mit
dem Eisboden gefriert, bestätigen noch keine Beobachtungen, so daß seine Erklärung als reine Hy
pothese anzusprechen ist.
VIII. Gruppe: Anders steht es mit Högboms Ansichten. Eis bildet sich unter feuchten Erdschich
ten. Man denke an die Eisnadeln in den schwedischen Mooren und die Pipekrakebildung. Aber
durch welche Faktoren sie hervorgerufen werden, wissen wir noch nicht. Vielleicht spielen die
feuchten Moosschichten eine gewisse Rolle bei dem Prozeß.
VII. Gruppe: Auch gegen Holmsens Anschauungen lassen sich Bedenken erheben.
Erstens: Holmsen führt an, daß das Eis feinkörnig sei, und daß er Eis mit prismatischer Struk
tur nur in dünnen Lagen beobachtet hätte. Trotzdem glaubt er, daß es vom Gefrieren des Grund
wassers herrührt. Die Erklärung für die Körnelung lautet: Nur wenn wenig Eis hinzugefügt wird,
werden die Hauptachsen der Eiskristalle kurz, solches Eis kann nur schwer vom körnigen Schneeeis
unterschieden werden, ausgenommen unter dem Mikroskop. Es erscheint seltsam, daß bei langsamem
Uinzufügen sich der Vorgang anders abspielen soll als bei schnellem, wo prismatische Eisstruktur
geschaffen wird.
Zweitens kann man nicht verstehen, wie die Bildung des Bodeneises vor sich geht. Das erste
Stadium stellt im Entstehungsprozeß des Bodeneises nach seiner Ansicht ein Gemisch von Moos und
Eis dar, das flötenähnliche Struktur, ähnlich wie prismatisches Eis aufweist. Das nächste Stadium
zeigt sich in einem festen Eiskörper, der keine Erdeinschlüsse enthält. Wie dieser Uebergang von
prismatischem, mit Erde vermischtem Eis in nichtprismatisches, erdfreies Eis sich vollzieht, wird
durch Holmsens Begründung, daß die oberen Partien dem Tauen unterworfen sind, durchaus nicht
geklärt.