34
Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte. 49. Bd. Nr. 5.
Zum andern müssen ganz systematische Untersuchungen an jedem Bodeneisvorkommen durchge
führt werden. Es muß die horizontale wie vertikale Ausdehnung der Bodeneisfunde gemessen wer
den und nach Möglichkeit auch die Dicke des Eises bestimmt werden. Ferner muß sehr genau auf
das Aussehen und die Beschaffenheit des Eises geachtet werden, welche Struktur das Eis aufweist,
ob Strukturunterschiede innerhalb desselben Vorkommens sich zeigen, ob Durchschichtungen mit
Einschlemmassen auftreten usw. Alle diese Beobachtungen müssen auf der Skizze des Aufschlusses
eingetragen werden.
Solche Beobachtungen lassen sich aber nur ausführen, wenn eine Expedition hauptsächlich den
Fragen des Bodeneises oder der Gefrornis zugewandt ist und nicht auf andere Probleme am meisten
ihr Augenmerk richtet.
9. Kapitel.
Zusammenfassung aller Theorien.
In den angestellten Untersuchungen taucht eine Reihe von Theorien immer wieder auf. Bevor
ich zur Kritik der Hypothesen schreite, fasse ich kurz zusammen, welche Gruppen von Anschau
ungen auftreten.
I. Das Bodeneis der Neusibirischen Inseln und der Eschscholtz-Bay stammt von einer oder meh
reren Eisbedeckungen her, die zu Ende des Pliozäns oder Anfang des Quartärs statt
fand. Die Eismassen wurden durch äolische und fluviatile Schlammassen bedeckt. Auf
ihnen erfolgte eine Entwicklung von Grasfluren, gleichzeitig trat ein wärmeres Klima ein
(Baumgrenze 4° nördlicher als heute, Vorkommen der quartären Säugetiere). Dann erfolgte
mit einer Verschlechterung des Klimas das Aussterben der Tiere und zugleich eine Zerstücke
lung des Landes durch Senkung. (Untenstehende Tabelle weist die Anhänger der einzelnen
Theorien auf).
II. Das Bodeneis stellt eine I n f i 11 r a t i o n in den Erdboden dar. Der Vorgang hat schon seit
sehr langer Zeit stattgefunden (vielleicht seit der Eiszeit), so daß Eismassen den Boden fast
ganz ersetzen.
III. Das Bodeneis stellt in den Talniederungen zusammengewehte Schneemassen dar, die
verfirnten. Entweder wurden sie durch einmalige Aufschüttung geschaffen, oder sie sind aus
den verschiedenen Niederschlägen einer längeren Periode zusammengewachsen.
IV. Kleine Seen werden von einer Moosdecke überzogen; in dem Maße wie das geschieht, werden
die Eismassen der Seen begraben und vor dem Auftauen geschützt.
V. Die Bodeneisschichten werden dadurch gebildet, daß austretendes Quellwasser im
Winter unter undurchlässiger Schicht, sich nach den Seiten in Schichtfugen ausbreitend, ge
friert.
VI. Das ßodeneis entsteht durch Gefrieren des sommerlichen Auftau Wassers an
der Grenze des Eisbodens.
VII. Das Bodeneis bildet sich in der feuchten Auftauerde nach Beginn der Nachtfröste unter der
„grauen Frosterde“ und geht durch wiederholtes Tauen und Gefrieren allmählich in die
kompakte Form über.
VIII. Bodeneis bildet sich unter Moosdecken.
IX. Das Bodeneis entsteht durch Zudeckung von Aufeisbildungen.