I)r. Gretel Satow: Das Bodeueis in der Arktis. Tatsachen und Hypothesen.
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Materials verschwinden einige dieser Hügel im Laufe von mehreren Jahren wieder, so daß die Küste
ihre frühere Gestalt wieder erhält. Das Eis dieser zusammengeschobenen Blöcke besteht nach Ste-
fansson aus einem Gemisch von trockenem Schnee, und Schnee vermengt mit gefrorenem Seegischt;
das Zentrum wird aber Pfannkucheneis (ice cake) der See bilden. Ein Gemisch von Grundeis und
Meereis stellen die Eisdeltas dar, von deren Entstehung Stefansson berichtet. (74. S. 344). An den
Mündungen der meisten arktischen Flüsse ist das Meer so flach, daß es bis zum Grunde in einem
± großen Abstand von der Küste gefriert. Große Flüsse besitzen manchmal eine offene Rinne bis
zum tiefen Wasser, dann existiert aber sehr viel Grundeis in ihren Flußmündungen. In beiden Fällen
wird Eis begraben; im ersten Falle durch winterliche Ueberschwemmungen, im zweiten Falle durch
das eigene Flußwasser, je nach der Menge der Sinkstoffe, die der Fluß mit sich führt. Ganz beson
ders die Frühjahrsschmelze liefert schlammig trübes Flußwasser, das, sobald es an der Flußmündung
seine Strömung verliert, den Schlamm absetzt. Sobald solches Eis angeschnitten worden war, zeigte
sich folgendes Profil: Verschiedene Eisschichten sind vorhanden, schmutzige Eisschichten wechseln
mit klaren, aus Wasser gebildeten ab. Dazwischen treten aber auch abwechselnd weiße Schneeeis
lagen und reine Sandschichten auf, unter günstigen Bedingungen mag ein Eislager dem anderen im
folgenden Jahr hinzugefügt werden, so daß sich an den Flußmündungen wie sonst Schlammdeltas,
hier Eisdeltas, entwickeln.
F. Zudedkung von Schneewehen.
An bestimmten Stellen kann aufgespeicherter Schnee durch Flußsand oder Schlamm bedeckt
werden und dadurch in eine Art Bodeneis verwandelt werden. Lopatin beobachtete während seiner
Turuchanskreise häufig im Frühjahr solche Bildungen.
An den verschiedensten Stellen des Jenissei hatten sich am Fuße von Steilufern Schneewe
hen gebildet, die beinah in Eis übergegangen waren und nun von den Schlammläufen, die von den
Steilufern herabkamen, ± dick zugedeckt wurden. Die zugedeckten Schneemassen hatten verschie
dene Dicke. Von 2 Arschin bis mehr als 1 Saschen (1,42 m — 2,13 m) stellte Lopatin fest. (40. S.
3—-32). Diese Entstehungsart von Bodeneis ist auch den Amerikanern bekannt. (57. S. 194).
Schneewehen und Schneelagen werden nach Beobachtungen von Stefansson auch durch zusam-
mengewehten Staub und Sand zugedeckt (74).
Der starke Wind der arktischen Gegenden bläst die Lehm- und Sandbarren an den Flußmündun
gen aus und liefert so eine schützende Decke für das Eis. (Beobachtet auf der Jones Insel im Colville
Delta).
G. Entstehung aus Spalteneis.
Alle Forscher der polaren Gegenden, von Middendorff, Lopatin, Toll und Bunge angefangen, bis
zu den heute lebenden, haben die Beobachtung gemacht, daß in den niedrigen, sandigen, tonigen
oder torfigen Tundraebenen Nordsibiriens und Alaskas — nicht so sehr im felsigen Gebiet --- bei ge
ringer Schneedecke, langer Andauer und starker Intensität des Frostes der Boden in Spalten auf
reißt. Die Forscher um 1840, 1880, wie der Amerikaner Leffingwell. der 9 Sommer und 7 Winter
(1906—1914) in Alaska weilte, berichten anschaulich, wie in den kalten Wintern die Luft wie vom
Donner der Kanonenschüsse erfüllt ist und Spalten verschiedenster Breite und Länge unter Erschüt
terung des Erdbodens oft viele Kilometer lang aufreißen. Ganz gleichgültig, ob der Boden aus Torf,
Lehm oder Sand besteht.
In diese Spalten fließt wählend des Sommers vom Auftauboclen her Wasser hinein, das zeit
weilig mit Schnee- und Schlammassen vermischt ist, um dort am Grunde der Spalten zu gefrieren.
Von solchen Frostspalten und den in ihnen vorkommenden Adern. Stöcken und Gängen von Boden-
eis. berichten schon Middendorff und Lopatin. (44. S. 504 und 36. S. 3—32).
In den Tundraschichten am Jenissei und auf der Brechowinsel in der Jenisseimündung beob
achtete Lopatin Adern von Eis. die sich in Spalten gebildet hatten, welche vorher mit Wasser an
gefüllt waren. (Abb. 7. Tafel 3). Er bemerkte auf der Brechowinsel. daß an der Küste der ge
frorene Boden durch die Flut ausgehöhlt war (2 Saschen tief 4,26 m und einige Saschen breit).