Dr. Gi-etel Satow: Das Bodeneis in der Arktis. Tatsachen und Hypothesen.
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2. Kapitel.
Aussehen und Größe des Bodeneises.
Die Mächtigkeit und Länge der Eisfunde wechselt sehr, von zentimeterdidken Lagen mit kurzer,
oft auch kilometerlanger Erstreckung bis zu 10—25 m hohen Wällen mit ebenfalls recht beträchtlicher
Ausdehnung.
Die geschlossenen hohen Bänke von 10—15 m kommen fast ausschließlich auf den Neusibirischen
Inseln und in einigen Mündungsgebieten der Flüsse des gegenüberliegenden Festlandes vor, sowie in
der Eschscholtzbay im Kotzebuesund. Die Funde unter 10 m Höhe trifft man im Innern von Sibirien
und Alaska.
Das Aussehen ist recht verschieden: Die Farbe des Eises wechselt zwischen reinem Weiß, Blau
grün bis Gelblich, dem Torfwasser ähnlich. In Handstücken ist es meist durchsichtig und klar, oft
aber auch nicht. Teils weist es waagrechte, teils senkrechte Schichtung auf. Teilweise kann man
das Bodeneis als Eis mit Prismen oder Säulchenstruktur, manchmal aber auch als körniges, luft
reiches Eis, teils aber auch als ein Gemisch von beiden ansprechen.
Ebenso wechseln die Deckschichten: im Innern cles Landes in den Tälern sind es Schotter, Kiese,
Sande, auf der Tundra: Flechten. Moose und Moostorf, auf den Neusibirischen Inseln: Tone. Torf
und Süfiwasserablagerungen.
Nicht anders steht es mit dem Untergrund: Auf den Neusibirischen Inseln und an den Küsten ist
er selten ermittelt worden. (79, S. 57 u. 73). Auf den Neusibirischen Inseln und am Anabarabusen soll
Geschiebelehm den Untergrund des Eises bilden. (49, S. 389 ff.) Im Innern des Landes kommen Kiese,
Sande, Lehm, Torfmassen, Schlammassen vor.
Folgerung: Aus diesem bunten Durcheinander sieht mau. daß das gesamte in Sibirien und Alaska
vorkommende Bodeneis nicht eine einheitliche Entstellungsart haben kann.
Sobald wir uns die an den Fundorten morphologisch wirksamen Kräfte ansehen, läßt sich eine
Gliederung einiger Bodeneisarten nach der Entstehung vornehmen.
Es ist bis jetzt gelungen, mancherlei Arten von Entstehungsmöglichkeiten des Bodeneises aufzu
decken. Für manche Funde ist man aber noch nicht zu klaren Beobachtungsergebnissen gelangt,
und die Erklärung wird durch eine Hypothese bewerkstelligt. Bei jedem neuen Fund von Bodeneis
wird daher zu untersuchen sein, welche Umstände es, je nach den örtlichen Verhältnissen, ge
schaffen haben könnten.
3. Kapitel.
Beobachtete Entstehungsarten von Bodeneis.
A. Zudeckung von Aufeis.
Die Täler im Eisbodengebiet von Sibirien, Alaska und Grönland werden durch die Erscheinung
der sog. „Aufeisbildung“ charakterisiert, die von den Russen als „Naledj“, von den Jakuten als
..Taryn“ bezeichnet wird. (v. Drygalski nannte sie Bacheisbildungen).
Die „Naledj“ haben immer schon das Interesse der sibirischen Reisenden auf sich gelenkt. Bei
40° Kälte Wasser, bei 35° Hitze Eisfelder von oft kilometerlanger Erstreckung, umgeben von einem
Kranz blühender Pflanzen, das ist in der Tat eine merkwürdige Naturerscheinung! Sie ist auch
schon Middendorff aufgefallen, er hat sie bereits eingehend geschildert. (44. S. 459—55).
Eine genaue Erklärung des Vorganges brachten die Beobachtungen des Bergingenieurs Pocljako-
now, der drei Jahre in Jakutsk in der Taiga gelebt hat und mehrfach die Naledj nicht nur beim
Abschmelzen, sondern bei der Bildung beobachtet hat. (53. S. 305—337).
Ein Querschnitt durch die Täler der kleinen Bergflüsse zeigt ein Bett in anstehendem Ge
stein. das mit Flußalluvionen gefüllt ist, und zwar bestehen diese meist aus: Moos, Pflanzenerde.