Dr. Gretel Satow: Das Bodeneis in der Arktis. Tatsachen und Hypothesen.
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Einleitung.
ln keinem geographischen Lehrbuch fehlt ein Abschnitt über das Bodeneis, aber die verschieden
sten und widersprechendsten Ansichten sind über seine Entstehungsart im Umlauf. Daher habe ich
mir die Aufgabe gestellt, auf die Quellen, d. h. die Reiseberichte und wissenschaftlichen Ergebnisse von
Expeditionen in arktische Länder zurückzugreifen, um an ihnen die Frage des Bodeneises gründlich
zu prüfen.
Durch den Gang der Untersuchung will die Arbeit zu mehreren Zielen führen:
I. Es wird die Abhängigkeit des Bodeneises von der horizontalen wie vertikalen Verbreitung des
Eisbodens gezeigt und damit eine Eingliederung des Bodeneises in das Problem der Gefrornis
vollzogen.
II. Es soll herausgestellt werden, welche Arten der Entstehung von Bodeneis wirklich
beobachtet worden sind.
III. Es wird eine scharfe Trennung der Beobachtungen über Eisfunde, deren Entstehung nicht ge
sehen wurde, von den Theorien durchgeführt, so daß sich aus dieser Gegenüberstellung —
hier Tatsachen, dort Theorien — wieder mehrere Punkte ergeben.
1. Es wird dadurch deutlich, wie lückenhaft dieses Beobachtungsmaterial noch ist. da
Angaben über das Aussehen der Umgegend der Eisvorkommen und
die in ihnen morphologisch wirksamen Kräfte fehlen.
2. Es tritt durch diese Anführung der Schilderungen klar heraus, wie ungenau noch beob
achtet wurde, da die Beschreibungen ein- und desselben Vorkommens
sehr abweichend lauten.
3. Aus der Gegenüberstellung wird offenbar, ob und inwieweit die vorhandenen Beobach
tungen schon zu Erklärungen ausreichen.
4. Ferner wird deutlich, welche Untersuchungen noch angestellt werden müssen, bevor man
der Lösung des Bodeneisproblems näher kommt.
Aus allen diesen Punkten ergibt sich, daß meine Arbeit noch keine Lösung des Problems erbrin
gen wird, sondern nur Richtlinien für spätere Arbeiten aufzeigt.
Das Ziel der Arbeit ist ein zweifaches: Einmal wird der augenblickliche „Stand der Dinge“ über
das Bodeneis festgestellt, indem alle Beobachtungen und Anschauungen, die weit verstreut in ameri
kanischen, deutschen, norwegischen, schwedischen und russischen Zeitschriften erschienen sind, unter
einem einheitlichen Gesichtspunkt zusammengefaßt werden. Wichtig ist vor allem, daß hierdurch
auch die russischen Beobachtungen westeuropäischen Forschern zugänglich gemacht werden ')■ Zum
andern wird gezeigt, auf welche Fragen das Augenmerk bei künftigen Bodeneisuntersuchungen be
sonders gerichtet werden muß, damit sich diese Beobachtungen fruchtbringend für die Lösung des
Bodeneisproblems verwerten lassen.
Definition.
In der geographischen Literatur sind Bodeneis und Eisboden als zwei verschiedenartige Erschei
nungen in circumpolaren Ländern bekannt, die aber wegen der gleichen Wortelemente des öfteren
Anlaß zu Verwechselungen gaben und dadurch zu mehreren Klärungsversuchen angeregt haben
’) Die russischen Schriften wurden mir von Fräulein v. Poeiil. einer deutsch-russischen Studentin, übersetzt.