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Full text: 49, 1930/1931

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Aus dem Archiv <ler Deutschen Seevv&rte. 
Band 49, Nr. 4 — Paul Pummerer und Rudolf Otto Steiner: Höhenwind- 
im Stillengebiet vor sich geht. Besonders eindrucksvoll war in dieser Beziehung eine heftige Böe 
am Abend des 2. Januar, während der der Regen so reichlich und dicht strömte, daß plötzlich alle 
Sicht weg war und die Schiffs - Sirene den Kapitän auf die Brücke rief. 
Am selben Abend wurden in der Nähe der „Abrolhos“ mehrmals Untiefen, im Minimum 33 m 
gelotet. Schon zeigten mächtige Plankton-Wiesen und rege Zunahme des Schiffsverkehrs, daß wir 
uns der brasilianischen Küste und ihrem Kultur- und Verkehrs - Zentrum Rio de Janeiro näherten. 
Am 4. Januar erschienen die Inseln und Küstenberge des Festlandes von Brasilien, mittags stieg 
das doppelzackige Kap Frio vor uns im Süden aus den Fluten und noch am Abend umfing uns die 
Märchenwelt des schönsten Hafens der Erde. Um Mitternacht ging die „Erfurt“ im inneren Hafen 
von Rio vor Anker. 
Hier endete der erste Teil unserer Aufgabe, nur ungern schieden wir am nächsten Morgen von 
der „Erfurt“, die unsere bisherige Arbeit so wohl geschirmt und gefördert hatte. Aber schon um 
fing uns die nächste Aufgabe, während wir noch durch das Gewühl des inneren Hafens dem 
Anlage-Kai zustrebten, rief uns der technische Leiter, Herr Hammer, die ersten Grüße des Condor- 
Syndikats aus schwankendem Boote zu. Der Transport des Expeditionsgerätes vom Schiff nach 
dem Hafenschuppen, die Zollverhandlungen und der Transport vom Schuppen nach dem Geschäfts 
hause des Condor-Syndikates in der Rua da Alfandegar 5 nahmen drei volle Tage in Anspruch. 
Am Sonntag, dem S. Januar, wurde ein wohl verdienter Ruhetag eingeschaltet, der dazu benutzt 
wurde, von dem weltbekannten „Zuckerhut“ einen Ueberblick über die Lage Rios zu gewinnen. 
Endlich konnte die Tätigkeit beginnen, die vielgestaltig war, wie das neue Leben, das auf uns 
eindrang. Von unserem Quartier, sowie von dem Dache in der Rua da Alfandegar aus hatten 
wir guten Ueberblick über Stadt und Bucht, die näheren und ferneren Berge, die im 
Hintergründe der Bucht mit dem mächtigen, an Dolomitformen erinnernden und bis 2500 m 
aufragenden Orgelgebirge abschließen. Die stündlichen Beobachtungen von Wolken, Sicht, 
sowie die ständige genaue Ueberwachung aller Witterungserscheinungen konnten also wie an 
Bord fortgesetzt werden. Das so ungemein wechselvolle Profil der Landschaft, das sie mit tief 
einschneidender Meeresbucht und grotesk getürmten Felsenbergen zum Paradiese schafft, gestaltete 
schon aus sich alle Möglichkeiten zum Studium der seltensten und interessantesten Wettervorgänge. 
Aufwinderscheinungen, Schichtungsvorgänge, Reibungseinflüsse, Unterschiede von See und Land 
gehörten hier zum täglichen Anschauungsunterricht der Natur. Dazu kam die Möglichkeit, auf den 
Versuchs- und Fernflügen des Condor-Syndikats das Element aus nächster unmittelbarer Nähe 
fassen zu können, die Möglichkeit an den verhältnismäßig zahlreichen heiteren Tagen mit Hilfe 
von Pilotballonen den Aufbau und die Schichtung der Atmosphäre bis in große Höhen von sicherem 
Standort aus zu ergründen. Im täglichen Verkehr mit den Herren des Condor - Syndikats und 
mit den Piloten, sowie in den abgehaltenen Unterrichtsstunden und Kolloquien empfingen die 
Expeditionsteilnehmer aus der Erfahrung der Ortsansässigen zunächst mehr, als sie geben konnten. 
Der so lehrreiche Aufenthalt in Rio gipfelte in einer Flugexpedition, die Herr Hammer eigens für 
die Teilnehmer der Forschungsfahrt ausrüstete und die mit dem Zwecke wissenschaftlicher For 
schung auf dem Wal-Flugboot „Bartolomeu de Gusmäo“ unter Führung Herrn Hammer’s in der Zeit 
vom 1. bis 6. Februar von Rio der brasilianischen Küste entlang südwärts bis Porto-Alegre und 
wieder zurück nach Rio führte. 
Es muß hier erwähnt werden, daß die Teilnehmer der Studienfahrt in Rio auch die Gelegenheit 
wahrnahmen, mit dem dortigen Meteorologischen Institut in Fühlung zu treten. Dieses verfügt 
über Räume, die dem deutschen Gelehrten fürstlich dünken und beneidenswert erscheinen. Aber 
nicht minder fürstlich war die Aufnahme der deutschen Meteorologen dort und das Entgegenkom 
men, das ihnen gezeigt wurde. An Stelle des erkrankten Herrn Dr. Sampaio Ferraz, der schon 
mehrmals deutsche Meteorologen in seinem Institut begrüßt hatte, empfing uns Herr Suza. In
	        
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