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Aus dein Archiv der Deutschen Seewarte. — Band 49, Nr. 4 — Paul Pummerer und Rudolf Otto Steiner: Höhenwind-
Arbeitsfeld, vielgestaltig, reich und lockend, wie es noch keiner der vorangegangenen Forschungs
fahrten geboten war. Die Verfasser, denen die Seewarte die hohe und umfangreiche Aufgabe an
vertraute, fühlen sich an dieser Stelle besonders verpflichtet, dem Condor-Syndikat den Dank ihres
Institutes sowie ihren persönlichen Dank auszusprechen.
Die Rückkehr der Forschungsfahrt sollte endlich so bemessen werden, daß sie zeitlich mit der
Rückkehr der 9. Forschungsfahrt zusammenfiel, die für den Vorfrühling des Jahres 1928 nach den
Kanaren damals schon geplant war. Auf diese Weise sollten Unterschiede des Strömungsfeldes
auf Raum- und Zeitdifferentiale erfaßt werden.
Wie der 4. Fahrt nach den Gewässern des La Plata so gab auch der 8. der Norddeutsche
Lloyd in Bremen Gastrecht. Die Ausreise geschah auf dem Frachtdampfer, Motorschiff „Erfurt“,
die Weiterreise von Rio an, sowie die Rückfahrt gestalteten sich für die Expeditionsteilnehmer
besonders festlich. Dank dem besonderen Entgegenkommen des Norddeutschen Lloyd und seiner
südamerikanischen Vertretung in Rio und Buenos Aires wurde zum erstenmal in der Geschichte
der neueren Forschungsfahrten der Seewarte eine Expedition auf einem I. Klasse - Dampfer, dem
S. S. „Sierra Ventana“ befördert. Gerechter Sinn würde fordern, hier sämtliche Offiziere,
Ingenieure, Funker und viele Mann der Besatzung mit Namen anzuführen, um die Verdienste in
etwas zu lohnen, die sich alle um das Gelingen unserer Sache erwarben. Menschliches Bescheiden
erlaubt wie sonst auch hier nur die Führernamen zu nennen, die Kapitäne Zellentin und Gößling.
Was die kleine „Erfurt“ weniger bieten konnte, als ihre größere Schwester ersetzte Herr Kapitän
Zellentin überreichlich durch besonderes Entgegenkommen sowie durch sein nie erlahmendes, ja
sogar anfeuerndes Interesse an den Arbeiten der Expedition.
Außer den Genannten schufen wie bei früheren Fahrten die Notgemeinschaft der Deutschen
Wissenschaft sowie die Abteilung Luft des Reichsverkehrsministeriums die finanziellen Grundlagen.
Auch diesen erlauben sich die Verfasser im Namen der Deutschen Seewarte den Dank auszu
sprechen.
2. Verlauf der Reise.
Es schlug von dem alten Wahrzeichen der Stadt Hamburg die 7. Abendstunde, als sich am
10. Dezember 1927 die „Erfurt“ durch das starke Treibeis des Hafens den Weg bahnte; kurz dar
auf grüßte die 8. Forschungsfahrt zum letztenmal die Deutsche Seewarte, die sich als Silhouette
von dem flammenden Nachthimmel der Großstadt hob.
Als Expeditionsschiff hatte der Norddeutsche Lloyd die „Erfurt“ gewählt, ein Motorschiff von
4201 Br.-Reg.-Tons. Die Wahl erwies sich in der Folge in mehr als einer Beziehung als eine sehr
glückliche. Das erste Morgengrauen an Bord fand uns auf der Höhe des Norderney-Feuerschiffes.
Oestliche Luftströmung, die damals Deutschland in den Monaten November und Dezember einen
frühen und strengen Winter brachte, geleitete uns fast durch den ganzen Kanal; die negativen
Temperaturen wichen freilich schon bald nach Verlassen der deutschen Gewässer. In den zweiten
Morgen blinkten die Feuer der englischen Kreideküste von Dover. Nur die am weitesten nach
Süden vorspringenden Punkte der englischen Küste entschleierten sich den Blicken, es blieb dunstig
während der ganzen Kanalfahrt. Am Vormittag des 13. Dezember kamen wir, schon im Anblick
der Küste der Bretagne in ein windstilles Gebiet, nach dessen Passieren sich südliche Winde auf
machten. Hinter Quessant ging es hinein in die Biscaya, die uns ihre viel genannten Schrecken
nicht vorenthielt. Unter Drehung des Windes auf WSW und zuletzt W waren wir auf die Rück
seite eines Ausläufers gekommen und einen ganzen Tag fegten heftige Böen und Regenschauer über
uns hinweg. Gleichzeitig offenbarte sich uns aber an diesem Tage zum ersten Male die plastische
Anschaulichkeit allen Wettergeschehens auf dem freien unbegrenzten Ozean.