P. Troll: Flugklimatologie und Plugmetoorologie des „Nördlichen Flugweges“.
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Gradienten und das allmähliche Abflauen des Windes mit dem Moment, wo sich die Luftdruckkurven ein
ander nähern, die Druckunterschiede also schwächer werden.
Die Wetterkarte vom 19. August zeigt den Sturm im letzten Stadium des Absterbens. Die starke
Anhäufung von Polarluft vor der grönländischen Küste und die Dichte-Unterschiede derselben gegen
über der Tropikluft haben eine allmähliche Ausbreitung der ersteren nach Süden zur Folge, wodurch
der ursprünglich sehr kräftige Warmluftkörper der Zyklone langsam von Norden her zurückgedrängt
resp. eingeschränkt wird. Der Aufbau der letzteren ist damit auf sein normales Maß gebracht, gleich
zeitig tritt aber eine Auffüllung der Zyklone ein; sie verliert allmählich an Energie, weil die für Aus
bildung ihrer Vorder- und Nordseite maßgebenden Luftströme vor der Zyklone zunächst einen weiten
Bogen nach Süden machen, wie die Stromlinienkarte vom 19. August, 14.00 zeigt, und damit auch die
Temperatur-Unterschiede zwischen dem warmen und kalten Sektor erheblich zurückgegangen sind. Diese
Natur der Polarströmung ist dadurch begründet, daß das Polarhoch wiederum nach Osten zurück
gewichen ist, sich aber gleichzeitig nach Süden ausgebreitet hat, so daß sein Luftabfluß hinsichtlich
seiner Temperaturen durch die entstandene südliche Ausbuchtung der Stromlinien stark beeinflußt, d. h.
also abgeschwächt wird. (Tafel 18, Abb. 7 und 8.)
Eine besondere Gefahr scheint bei dieser Art der Druckverteilungen darin zu liegen, daß in
solchem Falle eine erhöhte Möglichkeit dafür besteht, daß die Sturmzyklonen vor der grönländischen Küste
stationär werden und ihre Wirkung damit sehr lange anhalten kann. Der Grund hierfür ist wohl darin
zu suchen, daß sich die allgemeine Strömungsenergie mit wachsender Vertiefung auch der Vorderseite
der betr. Zyklone mitteilt, wodurch eine große Beharrungstendenz ihrer warmen Südseite hervorgerufen
werden kann. Diese Wirkung wird augenscheinlich noch dadurch verstärkt, daß bei großer meridionaler
Ausdehnung der betr. Zyklone oder des Zyklonensystems unter Umständen ein Zusammenpressen der
Stromlinien auf der Breite des Zyklonenmittelpunktes erfolgen kann, wodurch ohnehin schon eine Er
höhung der Stromgeschwindigkeit hervorgerufen wird. Alle diese Momente wirken darauf hin, den
warmen Sektor einer solchen Zyklone zu verstärken, so daß also dadurch die Verteilung der Energie
quellen in ihrer Umgebung für eine südöstlich gerichtete Zugstraße ungeeignet ist, während die Stärke
der Polarströmung ein Abwandern etwa in nordöstlicher Richtung verbietet. Andererseits trägt wieder
um der stationäre Zustand dazu bei, daß das Strömungssystem in derselben oder wenigstens ähnlicher
Form erhalten bleibt und somit immer die Verstärkungsmöglichkeit für die Zyklone regeneriert wird.
Unter solchen Umständen ist dann auch die Wirkung der Polarströmung als stark vermindert anzusehen.
Abgesehen von den hohen Windstärken einer solchen Zyklone ist noch auf eine weitere Gefahr
hinzuweisen, welche bei dieser Anordnung der Stromlinien wohl stets aufzutreten pflegt und insbesondere
in dieser zweifellos eisreichen Gegend hinsichtlich der Bedürfnisse des Flugbetriebes besondere Beach
tung verdient, nämlich die Sichtverschlechterung. Es handelt sich naturgemäß bei so hohen Windstärken
nicht um Nebelbildungen, sondern um Staubregen, welcher aber durch die heftige Luftströmung eine
Beschaffenheit annimmt, die sich namentlich in bezug auf ihre Auswirkung von Nebel nur noch wenig
unterscheidet. Hervorgerufen wird dieser Staubregen durch Aufgleiten der subtropischen Luftmassen
an der Grenzfläche der polaren Strömung.
b) Der Sturm vor den Färöern am 29.—30. Juli 1928.
Wenn also die Veranlassung des Grönlandsturmes darin zu sehen ist, daß Tropikluft weit nach
Norden gezogen wurde, so kann man demgegenüber die Ursachen eines weitereren Sturmes, den wir
dicht vor den Färöern hatten, dahin feststellen, daß in diesem Falle Polarluft weit nach Süden geführt
worden ist. Es handelt sich also hier um ein Gegenstück zum Grönlandsturm, dessen Untersuchung sich
dadurch leichter durchführen läßt, daß das Sturmgebiet in einer Gegend liegt, dessen reichhaltigeres
Stationsnetz eine wesentlich genauere Erfassung des Phänomens, seiner Ursachen und Begleiterscheinun
gen zuläßt. Aus diesen Gründen dürfte auch dieser Sturm, obgleich er sich weder an Stärke noch an Dauer
mit dem Sturm vor Grönland vergleichen kann, doch ebenfalls eine genauere Betrachtung verdienen!