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Aus dein Archiv der Deutschen Seewarte.
49. Bd. Nr. 3.
Die im Sommer 1928 ausgeführte Reise des ».Meteor“ nach Island und Grönland legte nahe, die
für den Europäer wichtige Flugmöglichkeit von Europa nach der neuen Welt — also eine Verbindungs
möglichkeit zwischen den gegenwärtig bedeutendsten Kulturzentren der Erde — in flugklimatologischer
und flugmeteorologischer Hinsicht zu untersuchen und ihre Bedingungen zu erforschen. Betrachtet
man die Sache zunächst von diesem Standpunkte aus, so werden schon die mittleren Luftdruck
verhältnisse eine direkte Verbindung Europa—Amerika etwa auf der Dampferlinie ungeeignet er
scheinen lassen. Dieselbe liegt ungefähr da, wo man in vielen Fällen die Nordgrenze der sub
tropischen Hochdruckgebiete zu suchen hat, und es ist aus diesem Grunde dort sehr häufig auf
westliche Luftströmungen zu rechnen, die dem Fluge nach Nordamerika nicht günstig sind, insofern, als
sie ihn zeitlich mehr oder weniger erheblich verlängern. Außerdem aber fehlt auf diesem Wege jeder
Stützpunkt und jeder Notlandeplatz. Um diese letztere Schwierigkeit zu überwinden, würde man die
Möglichkeit haben, den Flug über die Azoren und Bermudas zu nehmen; da diese Strecke jedoch einen
nicht unerheblichen Umweg bedeutet, konnte es nicht ausbleiben, daß die allgemeine Aufmerksamkeit
wieder auf die geographisch kürzeren Polarwege, in diesem Falle auf die Strecke Färöer—Island—
Grönland—Neufundland gelenkt wurde. Abgesehen davon, daß dieser Weg von dem größten Kreise nur
wenig ab weicht, hat er den Vorteil, daß er durch die Eigenart der Landverteilung überall Stützpunkte
bietet, wodurch die zu überfliegenden Seestrecken auf ein Maß reduziert werden, welches recht gut
schon von Maschinen von relativ geringer Flugweite bewältigt werden könnte. Die Abstände sind jeden
falls bedeutend geringer, als die des südlichen Weges über die Azoren.
Wie in den einleitenden Bemerkungen bereits kurz erwähnt wurde, darf aber die Rücksicht auf
die rein zahlenmäßig zu erfassende Entfernung zwischen Anfangs- und Endpunkt der zu schaffenden
Verbindung nicht allein für die Wahl des künftigen Flugweges maßgebend werden, sondern es wird als
mindestens gleichberechtigt die Frage entstehen, ob der auf diese Weise in Aussicht genommene Flug
weg mit Rücksicht auf die flugmeteorologischen Bedingungen überhaupt beschreitbar ist. Ferner wäre
zu erörtern, welche Möglichkeiten dafür bestehen, daß man tunlichst jede Wetterlage und ihre Aus
wirkung auf die Sicherheit und Wirtschaftlichkeit des Fluges erfassen und ausnutzen kann, mit einem
Worte also, es entsteht die weitere Frage, wie sich auf der gewählten oder zu wählenden Flugstrecke die
Grundbedingung für die Flugberatung und die Zuverlässigkeit der letzteren stellen, umso mehr, als die
Flugberatung gerade auf den großen hier bestehenden Seestrecken in weitestem Maße für die Auswahl
eines sicheren und günstigen Flugweges ausgenutzt werden kann und aus diesem Grunde gerade in
diesem Falle von ganz besonderer Bedeutung ist. Das setzt aber voraus, daß man jede sich bietende
Gelegenheit dazu benutzen muß, die flugmeteorologischen Bedingungen der Flugstrecke zu untersuchen,
resp. dieselben zu den Angaben des vorhandenen Beobachtungsmaterials in Beziehung zu bringen, und
darin ist wohl eine der wesentlichsten Aufgaben der Meteorfahrt 1928 zu sehen.
Daß sich aus einer Fahrt von so kurzer Dauer grundlegende wissenschaftliche Ergebnisse würden
herausholen lassen, w r ar von vornherein nicht anzunehmen. Andererseits aber konnte man damit rechnen,
daß diese nördlichen Meeresgebiete mit ihren vielen, wissenschaftlich durchaus nur unvollkommen er
faßten Strecken doch noch manches Rätsel enthalten, dessen Lösung man bei jeder sich irgendwie bieten
den Gelegenheit versuchen müsse — ähnlich wie man auf Land den Geheimnissen einer Flugstrecke
durch Abfliegen derselben beizukommen versucht. Tatsächlich hat denn auch die „Meteor“-Reise be
wiesen, daß die Auswirkung der meteorologischen Faktoren auf der nördlichen Flugstrecke doch so
manches Moment ergibt, das sich auf Grund vorhandener Meldungen entweder gar nicht, oder doch nur
sehr unvollkommen hätte erkennen lassen, und endlich war es durch diese Fahrt möglich, über die
Zuverlässigkeit der Fernberatung Anhaltspunkte zu gewinnen, indem die gegebenen Fernberatungen
durch Fachleute an Ort und Stelle kontrolliert wurden. Dies geschah in der Weise, daß der „Meteor“
als Luftfahrzeug angesehen wurde, welches von der Deutschen Seewarte in Hamburg aus auf dem Funk
wege mit Wetternachrichten versehen wurde, die dann von den Teilnehmern mit den tatsächlich an
Ort und Stelle angetroffenen Verhältnissen verglichen werden konnten.