J. Georgi — F. Ahlgrimm — W. Stöbe: Forschungsreise „Meteor“ nach Island—Grönland 1928. 61
neueren Aufstiegen nicht mehr ohne Umrechnung verglichen werden darf. Die Windgeschwindig
keiten und Höhen aller Aufstiege im Archiv der Deutschen Seewarte bis einschließlich der Arbeit von
K n o c h und Loh r 5 * ) sind gegenüber den neuen W erten im Mittel um 12.5% zu hoch. Ferner tritt eine
Verschiebung der Wind r i c h t u n g en ein, die von der Entfernung des Ballons vom Beobachter und
von dem Azimut des betr. Kurvenstückes abhängt, aber jedenfalls in größerer Höhe gering ist.
Die Methode der vertikalen Differenzen von A. Wegener") wurde, ebenso wie in ähnlichem Fall
von S v e r d r u p 7 ), nicht angewendet, aus folgendem Grunde: Diese zweifellos elegante und wertvolle
Methode zur Homogenisierung eines großen Beobachtungsmaterials beruht letzten Endes darauf, daß
die betrachteten Elemente, z. B. die Windänderung mit der Höhe usw. einen gesetzmäßigen Gang be
sitzen, der die Unterdrückung der unregelmäßigen Variation sanktioniert. Sie ist also stets erlaubt für
Aufstiege oder andere Messungen, die einen bestimmten klimatischen Typus repräsentieren, z. B. für
größere Gebiete des südlichen Westwindgebietes, in denen die „Störungen“ an Zahl und Mächtigkeit ge
genüber dem „normalen“ Verlauf zurücktreten, oder vermutlich für das eigentliche Polargebiet. Unsere
Reise führte jedoch großenteils durch Gebiete, die abwechselnd zwei entgegengesetzten Witterungstypen
angehören, so daß die zufällige Auswahl der Beobachtungen bereits einen systematischen Gang der
Elemente vortäuschen kann. Als Beispiel seien angeführt die Gruppen la und lb, beide aus dem nörd
lichen Westwindgebiet. Bei la (Aufstieg 1—9) über wiegt in der Höhe durchaus SW, dieser sogar noch
bei den zur Gruppe 2a gehörigen Aufstiegen 11 und 13 bis 6.5 bzw. 16 km. Hingegen fiel die Rückfahrt
in eine entgegengesetzte Wetterlage, so daß Gruppe lb in der Höhe überall die nördliche Hochströmung
ergibt, die in Island bereits seit dem 25.8. erkennbar ist. Wahrscheinlich würde im Mittel aller Fälle
bei 10 km hier Süd- bis Westströmung überwiegen. Aber die einzigen hohen Aufstiege der Gruppe I
geben nur die nördliche Strömung, so daß die Übertragung dieser starken Rechtsdrehung auf die
niedrigeren Aufstiege auch die Anwendung der Differenzenmethode ein den tatsächlichen Verhältnissen
wahrscheinlich nicht entsprechendes Übergewicht der nördlichen Winde schaffen würde. Es schien da
her sicherer, dem kritischen Leser den Überblick zu erleichtern durch einfache Mittelung der einzelnen
Höhen und Angabe der Zahl der jeweils gemittelten Werte. Aus diesem Grunde wurde auch von einer
Extrapolation der Bodenwerte abgesehen.
Um ein Bild der Zuverlässigkeit der Pilotmittel zu erhalten, ist in den Tabellen 16—20 jeweils eine
Stufe „Boden“ eingefügt, in der sämtliche Terminbeobachtungen des Tagebuches für jede Gruppe zer
legt und gemittelt wurden. Die unterste Pilotschicht 0—200 m muß annähernd den Bodenverhältnissen
entsprechen. Normaler Weise wäre zu verlangen, daß im Westwindgebiet eine geringe Rehtsdrehung
und Windzunahme gegenüber den Bodenwerten erfolgt.
Tatsächlich gibt Tabelle 17 bei Gruppe I für den Boden NW als resultierende Richtung von 62 Beob
achtungen, die Schicht 0—200 m SzW bei 14 Aufstiegen. Hier machen sich die Tage bei den Färöern mit
Nordsturm geltend, die im Pilotbild ausflelen. Umgekehrt steht es bei der Ostgrönlandgruppe III. Hier
ist das Bodenmittel NzW, die unterste Pilotstufe hat NE, die Übereinstimmung ist befriedigend. Anderer
seits ist die resultierende Geschwindigkeit der Bodengruppe durch den Nordsturm in Gruppe lila auf
8.8 mps gehoben gegenüber der untersten Pilotstufe mit 3.0 mps! Aber wer wollte in diesen meteorolo
gisch unerschlossenen Gebieten eine Extrapolation der Sturmbeobachtungen am Boden in die Höhe
wagen?
Über die Schwierigkeit, in diesen Gebieten zu brauchbaren Mittelwerten der Höhenwinde zu ge
langen, darf auch Tab. 19, die Darstellung der prozentischen Beständigkeit, nicht täuschen. Wenn hier
die Werte für Gruppe I durchgehend über 67% liegen, also eine recht hohe Beständigkeit aufweisen, so
ist wieder daran zu erinnern, daß die in der Schicht 7—10 km vereinigten Aufstiege, wie vorstehend dar
gelegt, alle einem extremen Wettertypus angehören, während der entgegengesetzte, vielleicht häufiger
anzutreffende Typus zufälligerweise nicht vertreten ist.
5 ) A. d. Arch. d. D. S., Bd. 46, Nr. 2, 1928, p. 8/9.
e ) Beitr. z. Phys. d. fr. Atm., III, 1910.
7 ) H. U. Sverdrup. Der Nordatl. Passat. Veröff. Geophys. Inst. Leipzig, 1917.