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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte. — 49. Bd. Nr. 3.
Noch stärker tritt der Landeinfluß am folgenden Tag in die Erscheinung, als „Meteor“ bei Ingolfs-
höfdi, südlich der Oraefa-Jökull, dem Fischereischutz obliegt. Die ausgedehnte Depression, die nun im
W und N der Insel lagert, macht sich durch verbreitete ci-str-Bedeckung bemerkbar. Zugleich frischt
der Wind auf, 15.15 h MEZ auf 9.2 mps, 20 h auf 10.3 mps. Die Richtung ist WSW, während Vestman-
naeyjar 19 h SSW melden. Zwischen beiden Orten liegt eine Divergenz, die Stromfäden des westlichen
Gebietes umfließen die isländische W-Küste, die des östlichen Teiles, in dem sich „Meteor“ z. Zt. be
findet, die Ostküste.
Höchst seltsam erschien daher die Bewölkung
im Umkreis des Oraefa-Jökull, die durch Abb. 27 zur
Uhrzeit 13.30 h MEZ (11.30 h BZ) schematisch wieder
gegeben wird. Landwärts vom Oraefa stand eine
dicke Aufwind-Wolkenwalze. Nach See hin, also
entgegen der Luftströmung nicht nur auf der Meeres
oberfläche, sondern nach Pilot 72 der bis 600 m Höhe
festgestellten SW-Strömung, ziehen zwei Systeme
von föhnartigen Aufheiterungen, schwächer im SW,
stärker im SE ausgebildet, die unbedingt einen
N—NW-Wind in etva 2000 m voraussetzen. Die öst
liche Aufheiterungszone zeigt sehr gut ausgebildete
lent.-Formen. Im Süden ist die Bildung walzen
förmiger cu und eines cu-ni zu beobachten, die eine
dort vorhandene Konvergenz zur Anschauung bringen.
Die beiden Aufheiterungsstraßen erinnern entfernt
an die oben dargestellten paarigen Wirbelzöpfe.
Wie ist aber das ganze, außerordentlich klar ausgebildete Phänomen zu verstehen? Der 40 sml süd
östlich von diesem Punkt um 19.14 h MEZ (17.14 h BZ) ausgeführte Pilotaufstieg zeigt nach Abb. 27 unten
WSW, in 4 km W, dann Drehung nach NW und in 8—9 km NW und NNW von 25 und 38 mps, die so
gar noch erheblich geringer sind, als die sich unter Zugrundelegen der Messung am Entferungsmesser
ergebenden Werte. Aber trotzdem ist keine Möglichkeit zu ersehen, wie diese hohe N-Strömung, die
übrigens die Bodenisobaren fast rechtwinklig kreuzt, bereits in etwa 2 km Höhe wirksam werden sollte.
Die Höhe der ci-str-Schicht betrug nach mehreren gut übereinstimmenden Messungen an ihren Rändern
4500 m; in dieser Höhe herrscht noch reiner W. Gegen ein „Herabkommen“ spricht auch die im Auf
stieg 73 vergrößerte Steiggeschwindigkeit nach dem Entfernungsmesser.
Will man durchaus eine Erklärung finden, dann bleibt wohl als einzige Ursache die bereits erwähnte
Divergenz zwischen den beiden, die Insel in W und E umfließenden Strömungssystemen. Es ist nicht
von der Hand zu weisen, daß über dem Gletscher massiv bereits zum Absteigen neigende Luftmassen
in diese Divergenz hineingezogen und so gegenüber der allgemeinen Strömung rückläufig wurden. Mag
dieser Erklärungsversuch richtig oder falsch sein — der beschriebene Fall ist nur ein neues Beispiel für
die jeder Diagnose und Prognose trotzenden Lokal winde Islands 22 ).
Um 17.30 MEZ (15.30 BZ) ist die westliche Hälfte des Oraefa völlig in Regenböen verschwunden;
die Föhnerscheinung ist zu Ende.
Freitag, 31. August. BZ seit 16.00 h = MEZ — l h .
Bei frischem westlichen Wind läuft „Meteor“ heimwärts. Zwei Pilotaufstiege bis 7 bzw. 9 km zeigen
noch unverändert die sehr starke nordwestliche Strömung über 6 km. Dieser Fall illustriert aufs
22 ) Ein ähnlicher Fall wurde uns mündlich berichtet. Bei allgemeinem SW-Wind auf See soll häufig eine
Ost Strömung in einer Breite von bis zu 50 sml unter der SE- und S-Küste wehen, die sich mit einer scharfen
Grenze auf See gegen die SW-Strömung absetzt.
Abb. 27. Wolkenplan siidl. Oraefa-J. 30.8.28., 13.30 h
MEZ (11.30 h BZ). Außer den eingezeichneten Lücken
10/10 bed. mit ci-str 13 h MEZ Halo, (g) = Standort.