J. Georgi — F. Ahlgrimm — W. Stöbe: Forschungsreise „Meteor“ nach Island—Grönland 1928. 39
Suchen wir ein Schema zu bilden, das eine gleichmäßige Nordströmung bis zu großen Höhen ver
anschaulicht, so ergibt sich nur die Möglichkeit der Abb. 16 b, immer vorausgesetzt, daß nicht nennens
werte Druckgegensätze am Boden vorgegeben sind. Wir müssen also relative Warm luft im N und NW
verlangen, relative Kaltluft im S und SE. Dies ist aber gerade das, was uns die Hergesellschen Auf
stiege ergeben haben, abgesehen von der dünnen Bodenschicht. Insgesamt überwiegt infolge der starken
Inversionen die Erwärmung. Die seit dem 10. August von Norden kommende, bis zu großen Höhen, wahr
scheinlich noch in die Stratosphäre reichende Nordströmung ist warm im Vergleich zu der subtropi
schen ozeanischen Südwestluft.
Dieser Schluß, den ich bereits aus meinen Auf
stiegen von 1926 und 1927 folgerte 10 ), ist durch die
Beobachtungen auf „Meteor“ erneut und in größerer
räumlicher Ausdehnung bestätigt worden. Wir haben
also in dem Nordsturm von 17. bis 18. August keine
Auswirkung der polaren Kaltluft zu sehen, sondern
nur eine sekundäre Auswirkung des mindestens seit
10. August in der Höhe erfolgenden Ausfließens
relativ warmer Luftmassen aus dem Raum zwischen
Island und Spitzbergen. Die weitere Herkunft dieser
Luft muß vorerst gänzlich unbestimmbar bleiben.
Hergesell (1. c.) hat für diesen Wärmeüberschuß die
24stündige Sonnenstrahlung im Polargebiet verant
wortlich gemacht. Übrigens will auch de Quervain
bei der Diskussion der isländischen Aufstiege von
1912/13 (1. c.) einen Kaltluftkörper im Raum Island—
Spitzbergen—Grönland nur dem Winter Vorbehalten ... „ ... , ... , ,
. Abb. 16 a. Kaltluft unten, Warmluft oben.
v lssen. Abb. 16 b. Warmluft unten, Warm-oder Kaltluft oben.
Ohne Zw-eifel kommen an mehreren Punkten der
Erde echte Kaltluft-Einbrüche von N her vor, und
diese Darlegungen gelten ausschließlich für das hier behandelte Gebiet mit seinen besonderen Temperatur-
Verhältnissen. Gänzlich verschieden sind die hier betrachteten Erscheinungen von den Vorgängen im
Inneren und in der Umgebung eines Strahlungskaltluftgebiets. Denn in diesem bildet die durch Ab
kühlung schrumpfende Luftmasse im Gebiet größter Ausstrahlung eine Einheit mit den Luftmassen der
Umgebung. Jenes bekannte Beispiel für die Bildung eines Hochdruckgebietes führt als wesentlichen
Begriff den seitlichen Zufluß in der Höhe ein, der in jedem Augenblick den Volumendefekt durch
Schrumpfung deckt. Er entspricht in unserem Schema Abb. 16 a der Umkehrung der Windrichtung
oberhalb der dünnen Bodenschicht. Dieser ständige Gleichgewichtszustand ist nicht möglich, wenn Luft
massen mit verschiedenen Gradienten bei wenig verschiedenem Bodendruck, gemäß Abb. 16 b, in Kontakt
gebracht werden. Hier sind die Druckgegensätze in allen Schichten so groß, daß sofort eine starke Luft
bewegung entsteht, die ihrerseits die Bildung einer starken Depression im Isobarenbild bewirkt und den
das Gleichgewicht herstellenden Massenaustausch verhindert.
Sonntag, 19. August. BZ = MEZ — 4 h .
Wie bereits auf Seite 36 oben erwähnt, erreicht „Meteor“ am 19. vormittags die Luftstromgrenze
zwischen Ost- und Westküste Grönlands. Wie bei dem erheblichen Abstand von etwa 90 sml südlich
von Kap Farewell nicht anders zu erwarten, treten an der Grenze Unstetigkeiten des Windes und See
ganges auf. So ist bei 08 h MEZ (04 BZ) vermerkt: „Dünung stärker werdend“, ebenso „gegen 06 h MEZ
abflaut Wind, jedoch 07 h schon wieder auf Stärke 7 auffrischend, 10.30 nur noch Stärke 5, dann weiter
abnehmend“. Der Wetter Umschwung führt innerhalb weniger Stunden zu ruhigem Strahlungswetter, vor
10 ) l. cit.