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Aus dom Archiv der Deutschen Seowarte. — 48. Bd. Heit 2.
1. Die Kalksteinketten und Zwergstrauchsteppen-Abdachung.
Die in gezackte Hügel aufgelösten Ketten gehen infolge eines Blockschuttmantels sanfter in die
Hamadaebene über. Am Fuß der Bergkette findet man gelegentlich große Flugsandanhäufungen, die
sich oft weit zum Kamm hinaufziehen. Viele trockene, tief in das Terrain eingeschnittene Wadis mit
breiten Sand- und Kiesflächen durchbrechen das Gebirge, besonders zahlreich sind sie im Norden des
Chott Melrir. Ein solches breites Flußbett — das Wadi Djedi — zieht sich am Rande der Zwerg-
strauehsteppen-Abdachung zwischen Laghuat und Biskra dahin; ihm streben zahlreiche Wadis aus dem
Gebirge zu.
Diese Flußbetten sind durch gewaltige Wassermengen in der Pluvialzeit eingegraben worden und
erfahren heutzutage nur verhältnismäßig wenig Veränderungen. Immerhin haben die Flußbetten am
Südabfalle des Atlas — im Gegensatz zu denen des Mzabplateaus und des Ighargharbeckens — infolge
starker Winterregen oft eine ansehnliche Wasserführung und sind imstande, Sandmassen und Gerolle in
tiefer gelegene Gebiete zu schaffen und sie nach der Korngröße abzulagern. So kommt es, daß am Nord
rand der algerisch-tunesischen Chotts die vom Atlas abkommenden Wadis mit gut ausgebildeten Deltas
in die Salzpfannen stoßen.
Bedeutend ist die Flächenspülung. Die zeitweiligen Platzregen, die mit großer Gewalt niedergehen,
sind wohl imstande, gewaltige Sohuttmassen fortzu schaffen und so — und das besonders in dem durch
Krustenbildung ausgezeichneten nördlichen Streifen der Gebirgsfußabdachung — über breiter Fläche
Material zu verfrachten. Bei den GebirgsfußaufSchüttungen findet man die übliche Anordnung des
Materials nach der Größe. In der Nähe der südlichen Atlasketten sind grobe Schuttmassen mit feinerem
Material ganz regellos untermischt abgelagert 3 ). Aber jemehr man sich von den Gehängen entfernt, um
so feiner wird das Material und um so flacher gewöhnlich auch der Böschungswinkel, bis endlich in
den anschließenden Ebenen der feine, rötliche, an Salzen angereicherte Tonboden vorherrscht.
Dieser Landschaft fehlt Baumwuchs ganz, nur Zwergsträucher sind büschelweise über das Gelände
verteilt, so daß überall der Gesteinsschutt von großen Blöcken bis zu feinstem Material zutage tritt.
Das in den oft völlig kahlen Kalkketten anstehende Gestein ist durch große Spalten zerrissen, die als
Insolationssprünge, Schichtfugen oder Klüfte zu deuten sein mögen. Überall hat die Korrasion gewirkt
und Blöcke und Gestein zerfressen. Stellenweise rücken die Zwergsträucher — unter ihnen besonders
Haifagras und Artemisia — so dicht aneinander, daß der Eindruck einer zusammenhängenden Steppe er
weckt wird. Eine solche Artemisiasteppe ist bei Laghuat (z. B. im Westen am Rocher de Chien) aus
gebildet, während südlich vom Djebel Dachla auf zerplatztem grauen Alluviallehmboden Kupstensteppe
vorherrscht. Die Steppe besteht hier z. T. aus Polsterhügeln mit Anabasis, z. T. aus Sandhaufen, die
an Pflanzen angeweht und von diesen durchwachsen worden sind.
In dieser Landschaft liegen zwei bedeutende Flußwasseroasen, Biskra und Laghuat — abgesehen
von einigen kleineren, wie die Oase Negrine und Ferkane (Fet Kane) in den Randketten des Aures.
a) Die Oase Biskra.
Die Oase Biskra liegt in dem Wadi gleichen Namens, das aus der engen Schlucht von El Kantara
kommt, die Ebene El Outaya durchfließt und sich dann durch die letzten südwest-nordöstlich streichen
den Atlasketten (bou Rhezal und Djebel el Mlaga) Bahn bricht, um dem Chott Melrir zuzueilen. Im
Südosten dieser beiden durch den Col de Sfa verbundenen Bergketten liegt die Oase am rechten Ufer
des Wadi Biskra, dessen in zahlreichen Tälern aus dem Aures abkommenden Gebirgsnebenflüsse die
Stadt und die Pflanzungen mit Wasser versorgen. Biskra ist der Hauptort der Zibanoasen, jenes aus
gedehnten, in vier den Himmelsrichtungen entsprechenden Gruppen geteilten Oasengürtels am Südrande
des Auresgebirges bis zu den Depressionsgebieten des Chott Melrir und Wadi Rir.
') Bassai-g'e, Geologische Charakterbilder. Die Troek engebiete Algeriens. Berlin 1913.