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Aus dem Archiv der Deutschen Seewürfe. — 48. Bd. Nr. 1.
Gr. Schwalbe (19) hat in ähnlicher Weise den jährlichen Gang der Verdunstung untersucht,
sich aber darauf beschränkt, die Bedingungen in der Hütte zu betrachten, wodurch sich Irrtümer ein
schleichen, da der Einfluß des Windes unberücksichtigt bleibt.
F. Bigelow (20) hat uns in den Stand gesetzt, rechnerisch die Verdunstung an Gefäßen ver
schiedener Form und verschiedener Oberfläche sowie verschiedenen Wasserhöhen zu bestimmen, so
bald die Oberflächentemperatur des Wassers, der vorhandene Dampfdruck und die Windgeschwindig
keit bekannt sind.
Ohne Zuhilfenahme eines besonderen Instrumentars kann man in einfachster Weise Verdunstungs
bestimmungen an irgend einer Station vornehmen, nach einer Methode, die d. V. bereits angegeben
hat (21).
Bio- und geoklimatische Austrocknungswerte.
Zwei der Faktoren, von denen die Verdunstung resp. der Austrocknungswert abhängt, sind rein
klimatischer Natur, nämlich der vorhandene Wasserdampf und die Luftbewegung. Die Oberflächen
temperatur dagegen oder besser die maximale Dampfspannung bei einer bestimmten Oberflächentempe
ratur hängt nicht allein von klimatischen Faktoren ab; nur die Oberflächentemperatur einer verdun
stenden Süßwasserfläche von einer gewissen beträchtlichen Größe und Tiefe kann durch rein meteoro
logische Faktoren bestimmt werden (Temperatur, Intensität der Strahlung und Ausstrahlung, Sonnen
scheindauer, Windstärke usw.).
Sicherlich wirken alle diese Elemente auf die Oberflächentemperatur eines Objektes ein, aber in
verschiedener Weise je nach seiner spezifischen Wärme und seiner Wärmeleitfähigkeit, soweit nicht
überhaupt eine Eigenwärme hinzutritt. Eine solche Eigenwärme besteht z. B. bei einer Therme,
deren Wasser bei konstanter Temperatur verdunstet. Diese physikalische Eigenwärme entspricht
bei den Organismen, unter ihnen dem Menschen, einer physiologischen. Das Postulat von
Meinardus (22), die Klimatologie in ihrer Anwendung auf die Biologie und auf die allgemeine
Geographie von der Klimatologie an sich zu trennen, ist für kein anderes Element so sehr berechtigt
wie gerade für den Austrocknungswert. Auch Hann erklärt, daß die Bedeutung verschiedener klima
tischer Elemente Einflüssen von außen her unterworfen ist, und daß in dieser Hinsicht die Klimatologie
zum Teil eine Hilfsdisziplin anderer Wissenschaften und der Praxis bildet. In der Tat bedingt dieser
Umstand nach Humboldt (Kosmos) eine Definition des Klimas als der Totalität derjenigen meteoro
logischen Bedingungen, welche das tierische oder pflanzliche Leben beeinflussen. Betrachtet man die
Klimatologie als eine Hilfswissenschaft der Geographie, so darf man nicht vergessen, daß die Mediziner
dem Klimabegriff eine noch größere Weite geben. Sie müssen den Einfluß der Elemente auf den ge
sunden wie auf den kranken Menschen in ihr Studiengebiet aufnehmen. Vom Standpunkt des Medizi
ners oder Biologen bildet das Klima die Zusammenfassung der verschiedenen Zustände der Atmosphäre
und der Erdoberfläche, welche für das Leben und die Gesundheit der Organismen von Bedeutung sind.
Hann glaubt nun, daß das Wort Klima auch in einer Weise angewendet werden kann, daß man von
einem Klima unserer Erdoberfläche spricht, auch für jene Zeiten, in denen vegetabilisches und anima
lisches Leben noch nicht vorhanden war.
Nach diesen Ausführungen werden wir auf jeden Fall, um jede Zweideutigkeit zu vermeiden, gut
tun, zwei Austrocknungswerte zu unterscheiden, einen geoklimatischen (unter Ein
schluß der Pflanzenwelt) und einen b i o - resp. anthropoklimatischen, indem wir den Menschen
als Hauptvertreter der Warmblütler in den Mittelpunkt stellen. Diese Werte können wir er
halten, indem wir uns zwei Wassergefäße vorstellen, welche bei verschiedenen
Oberflächentemperaturen der Verdunstungausgesetztsind. Die Resultate dieser
Verdunstung werden sehr von einander abweichen. Bei gleichem Dampfdruck und gleicher Luftbe
wegung wird die Verdunstung bei hoher Oberflächentemperatur sehr viel größer sein als bei niedriger.